Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
Vom Netzwerk:
Feedback werde mir zugeschickt, sobald ich meinen Mitgliedsbeitrag bezahlt hätte. Großartig. Der Schatzmeister hat mein Geld schon am 2. Juni während der Gebietsversammlung in bar kassiert. Liquid Democracy – ich komme!
    Sogar mein zweiter Einsatz in der Parteizentrale hatte sich heute früh zunächst erfreulich angelassen. Ich war pünktlich. Mein P 9-Kollege Wuerfel empfing mich heiter gelaunt, zum schwarzen T-Shirt trug er einen dunkelblauen Kilt. An diesem Montag wollte er mich in die Routinen der Morgenschicht einarbeiten. Wir kurbelten einen Rollladen hoch. Ich sammelte die benutzten Handtücher ein. Und als Wuerfel mir erklärte, die Partei habe keine Waschmaschine, sondern die Wäsche werde von einem Piraten abgeholt und daheim gewaschen, fand ich das schon fast logisch.
    Wuerfel forderte mich auf, das Hinterzimmer zu lüften (»Nicht kippen, stoßlüften ist besser!«), bevor er mich schließlich bat, die Sauberkeit der Toilettenräume zu kontrollieren. Warum nicht? Ich warf einen Blick durch die geöffnete Tür. »Nein«, sagte Wuerfel bestimmt, ich solle schon den Deckel hochmachen und reingucken. Die Mitglieder dieses Squads sorgten auch dafür, dass die Toiletten nicht zu übel aussähen. Falls jemand eine Katastrophe hinterlassen habe, solle man die bitte beseitigen.
    Mitarbeit in der Parteizentrale – das hatte für mich nach Zentrum der Macht geklungen, nach Herz der Bewegung. Ich hielt das Erdgeschossbüro in Berlin-Mitte für einen Ort, wo große Entscheidungen fallen. Ich erwartete, mich dort auf interessante Weise nützlich zu machen und ganz nebenbei das Parteileben kennenzulernen. In meiner Fantasie war die Pflugstraße 9a der beste Ort, um in der »Mitmachpartei« heimisch zu werden und politisch vorwärtszukommen, wohin auch immer.
    In Friedrichshain würde ich meine Crew beim Klein-Klein der Basisarbeit unterstützen, in Mitte die visionären Facetten der Landes- und Bundespolitik miterleben. So hatte ich mir das ausgemalt.
    Womöglich war das ein Irrtum. Vielleicht bin ich vor lauter Enthusiasmus einer Verwechslung aufgesessen. Ich habe Mitmachen gehört und an Politikmachen gedacht. Ich habe übersehen: Nicht alle, die fleißig helfen, haben am Ende auch Gestaltungsmacht. Das muss kein Drama sein. Aber ich möchte eigentlich etwas bewegen, wenn ich in eine Partei eintrete, sie finanziell unterstütze und mich darin engagiere. Ich finde daran nichts verwerflich.
    »Was da läuft, ist schlicht Zeitverschwendung«, doziert mein Freund inzwischen, während er gedankenverloren die Playmobil-Radarfalle neben einer Tüte Bio-Salzbrezeln aufbaut. »Du bist doch nicht bei den Piraten, um für die zu putzen.« Ich stelle die Spülmaschine an und setze mich zu ihm an den Tisch. Er könnte meinen heutigen Einsatz zum Wohle der Partei ja auch einfach mal toll finden. Schließlich habe ich sogar schon den ersten Anruf in der Bundesgeschäftsstelle angenommen.
    »Die Piratenpartei, Astrid Geisler, guten Tag!« Für mich klang dieser Satz phänomenal. Als ich den Hörer abnahm, war ich stolz und ein wenig nervös: Würde ich mich als Anfängerin blamieren? Die Sorge verflüchtigte sich schnell.
    Ich war zwar ahnungslos – aber zugleich kompetenter, als der Partei lieb sein konnte. Denn der Mann am anderen Ende der Leitung hatte ein Problem, das mir bekannt vorkam: Schon seit Anfang April versuche er, Pirat zu werden. Es klappe nicht. Er habe einen Mitgliedsantrag nach Berlin abgeschickt, er habe seinen Mitgliedsbeitrag überwiesen, aber einfach nichts von der Partei gehört. Was solle er jetzt machen?
    Gute Frage. Die Piraten mögen so liebenswert wie innovativ sein – womöglich sind sie sogar wichtig für unsere Demokratie. Aber Verwaltung ist definitiv nicht ihr Lieblingsfach. Nur wollte ich den Anrufer nicht verschrecken. Ich erzählte also spontan von meinem verschollenen Mitgliedsantrag, dem heutigen Happy End und schlug ihm vor: Er solle doch einfach auch einen zweiten Antrag abschicken – diesmal nicht an die Parteizentrale, sondern an seinen Landesverband. Die Idee erschien mir pragmatisch und Erfolg versprechend.
    Mit ein paar Stunden Abstand frage ich mich: Wenn halbwissende Freiwillige noch unwissendere Piraten beraten – was bringt das der Partei? Vermutlich unter anderem neue Probleme, ohne dass die alten gelöst werden.
    Ich entsinne mich an die ersten E-Mails von Denis, dem Kapitän meiner Crew Prometheus. Wenn die Piraten mir mal nicht die Heimat böten, die ich mir erhofft

Weitere Kostenlose Bücher