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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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sondern auch: Abstimmen! Änderungsanträge stellen! Initiativen einbringen! Am liebsten natürlich so erfolgreich wie der Berliner Pirat Jan Hemme, dessen Datenschutz-Vorstoß es bis in den Bundesrat geschafft hatte.
    Was ich über das neue Demokratie-Tool las, machte mich neugierig. Die Software Liquid Feedback war seit Herbst 2009 von Mitgliedern der Piratenpartei entwickelt worden. Sie sollte es den Piraten trotz einer wachsenden Mitgliederzahl ermöglichen, die Idee der Liquid Democracy in der Praxis zu testen. Allerdings gehört die Software nicht den Piraten, sie ist ein Open-Source-Programm und kann auch von anderen Parteien und Organisationen genutzt werden.
    Liquid Feedback stehe für eine » Gamification der Politik«, stand im Spiegel , die Gesetzgebung funktioniere bei den Piraten wie ein Computerspiel. »Während in anderen Parteien politische Ideen den Ortsverein nicht verlassen und der Bundesvorstand die Richtung vorgibt«, laufe es bei den Piraten genau andersherum. »Eine Armee einfacher Parteimitglieder« entwerfe »einen Schlachtplan, den Abgeordnete exekutieren«.
    Auch die »Chaos Computer Club«-Sprecherin Constanze Kurz pries das Potenzial der Internetsoftware an. Im Kern gehe es um »das Versprechen einer niedrigschwelligen Möglichkeit zur Mitgestaltung und politischer Teilhabe«, schrieb sie, und zwar »auch für Menschen, die nicht die Politik zu ihrem Lebensinhalt machen wollen und die nichts zu tun haben mit der Kaste der Berufspolitiker«. Die CCC- Sprecherin versicherte sogar: »Liquid Feedback und verwandte Werkzeuge sind das mächtigste Mittel der Piraten für diese neue Art des Politikprozesses. Der Gedanke: Jeder Pirat kann zu jedem Thema seine Meinung einbringen, beim Priorisieren der Inhalte mitentscheiden und darüber abstimmen.«
    Bei so viel innovativem Potenzial war mir unbegreiflich, wie der Großteil der Piraten derart träge und unkreativ sein konnte: Wieso war fast zwei Jahre nach dem bundesweiten Start von Liquid Feedback im August 2010 immer noch nur etwa ein Drittel der Piraten bei der Demokratiesoftware angemeldet – obwohl die Piraten doch zum Start der Pilotphase getönt hatten, erstmals in der deutschen Parteiengeschichte könnten »alle« Mitglieder einer Organisation an der Meinungsbildung beteiligt werden und konstruktiv mitarbeiten? Warum nutzten die gut 9.000 registrierten Piraten ihre Ausflugsmöglichkeit in die Zukunft der Demokratie so wenig? Nach Angaben eines Parteivorstands hatten bis Anfang Juni 2012 nur 5.400 überhaupt je an einer Liquid-Feedback-Abstimmung teilgenommen und noch viel weniger selbst einen Antrag eingebracht. Ich fand das ein bisschen peinlich.
    Schließlich hatte doch sogar der Kreistag in Jever am 11. Juli 2012 einstimmig beschlossen, die neue Form der virtuellen Mitbestimmung nicht den Piraten zu überlassen. Friesland solle als erster Landkreis der Republik mit Liquid Feedback arbeiten. Der stolze SPD -Landrat Sven Ambrosy verkündete, Liquid Friesland werde »noch mehr Transparenz und Bürgernähe« ermöglichen. Selbst die CDU in Nordrhein-Westfalen hatte kürzlich Interesse an der Mitmachsoftware gezeigt. Da musste doch allen Piraten klar sein, dass sie mit ihrer Enthaltsamkeit bei den Online-Voten ein zweifelhaftes Vorbild abgaben.
    Sobald ich einen Zugangscode bekäme, würde ich mich bei Liquid Feedback in die Arbeit stürzen und die Mitmachstatistik der Piraten aufbessern. Das war mein Plan. Vor drei Wochen.
    Es kam anders. Dabei hatte mein Einstieg in die Liquid Democracy noch mustergültig geklappt. Nur einen Tag nach meiner offiziellen Registrierung als Mitglied Nr. 39.120 der Piratenpartei bekam ich eine E-Mail mit meinem Zugangscode für die Abstimmungssoftware zugeschickt. Ich ließ alles andere liegen, setzte mich an den Computer und meldete mich an.
    Zu meiner Freude klappten die ersten Schritte ohne größere Zwischenfälle: Keine Stimmen, die mich aus dem Computer heraus zur Ordnung riefen oder in die Neupiratenecke verwiesen wie bei meinem ersten Test der Telefonkonferenzsoftware Mumble. Ich musste nicht einmal meinen Freund um Hilfe bitten.
    Ich las einmal quer über die Gebrauchsanweisung »Liquid Feedback in drei Minuten«, die ich zusammen mit dem Registrierungscode per E-Mail bekommen hatte – und los!
    Als Erstes meldete ich mein Interesse für drei Themenbereiche an: »Satzung und Parteistruktur«, »Kinder, Jugend, Familie und Bildung« sowie »Innen, Recht, Demokratie und Sicherheit«. Dann schaute ich

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