Piratenbraut
hätte, schrieb er, »dann gibt dir das piratige Mandat jederzeit die Gelegenheit, etwas daran zu ändern«. Niemand werde mir sagen, »was du tun sollst, du schlägst es selbst vor, suchst es dir selbst aus oder tust es selbst«.
Vielleicht ist es so weit. Denn ich bin überzeugt: Als WG ist die Parteizentrale nicht zukunftsfähig. Jedenfalls nicht, wenn diese Partei einen Bundestagswahlkampf bestehen und künftig mit den Grünen oder der Linkspartei mithalten will. Politisches Engagement bei den Piraten kann auch heißen: sich für eine Professionalisierung dieser Partei einsetzen.
Klar, man könnte mir unterstellen, ich sei mir zu schade für bestimmte Aufgaben. Andersherum stimmt es: Die Piraten sollten es sich gut ein Jahr vor der Bundestagswahl nicht leisten, ihre Kapazitäten zu verschwenden. Kein Geld? Kürzlich hat die Partei eine offizielle Spendenkampagne gestartet, um 100.000 Euro für neue IT -Hardware zu sammeln. Bis heute sind immerhin 56.677 Euro zusammengekommen. Was spricht gegen eine ähnliche Aktion für ein angemessenes Hauptquartier? Mit professioneller Verwaltung, Geschirrspüler, Waschdienst, täglicher Putzkraft. Dass die Wähler nach Jahrzehnten der Glitzerfassadenpolitik wieder das Improvisierte lockt? Dass sie den Piraten ihr Kreuzchen schenken, weil die so herrlich unfertig und antietabliert sind? Mag sein. Aber sicherlich wird niemand im Herbst 2013 die Piraten wählen, weil sie ihre Parteiklos noch selber putzen.
Die Piraten fürchten, sie könnten gentrifizieren wie die Grünen? Ich verstehe diese Sorge. Nicht unwahrscheinlich, dass es so kommt. Aber wenn es eines Tages so weit ist, dann sollten sie nicht so tun, als seien daran die Spülmaschine und der bezahlte Kollege in der Verwaltung schuld.
Ich sehe die Risiken an anderer Stelle. Eben verkündet der Berliner Piraten-Abgeordnete Pavel Mayer bei Twitter: »Krass: Wenn wir in den Bundestag einziehen, kann der Fraktionsvorsitzende und der Parteivorsitzende die Flugbereitschaft nutzen.« Die Reaktionen aus der Community lassen, wie gewohnt, nicht lange auf sich warten: »Wenn das mal kein Grund für die Trennung von Amt und Mandat ist!« Oder: »Wobei Jetset nur wirklich Spaß macht, wenn keine öden Transparenz-/Rechenschaftspflichten existieren. ;-)« Klar. Alles nur Scherze.
Am Sonntag findet das nächste Treffen des Parteizentralen-Squads statt. Wenn ich mich in dieser Partei nützlich machen will, dann sollte ich auf das Ende der WG -Ära drängen. Und: Nicht das Klo putzen. Oder ahnungslos ans Telefon gehen.
»Mal sehen, ob die dich rausschmeißen«, sagt mein Freund. Er klingt kampfeslustig. »Wäre ja auch okay.«
10 »Fahrradbeleuchtung deregulieren«
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Warum die Demokratiesoftware Liquid Feedback mit Piratinnen wie mir schlechte Aussichten hat
Meine Zwischenbilanz ist blamabel. Ich zähle im Kalender nach: Seit siebzehn Tagen bin ich nun bei Liquid Feedback angemeldet. Die Demokratiesoftware ist das Markenzeichen der Piraten – die FAZ hält sie für den »Kern der Partei«, ihren »eigentlichen Inhalt«. Die Zeit schwärmte: Liquid Feedback, das sei »Basisdemokratie, übersetzt in Programmiersprache«. Und ich? Boykottiere diese visionäre Technik. Nicht etwa vorsätzlich. Es hat sich einfach so ergeben.
Ungläubig zähle ich noch einmal im digitalen Kalender auf meinem Laptop nach. Es stimmt leider: Nach fast drei Wochen habe ich im Liquid Feedback genau eine politische Initiative unterstützt. Mehr nicht. Ich habe weder für noch gegen irgendetwas gestimmt, keine Änderungsvorschläge eingebracht, geschweige denn eine eigene Reformidee ins Rennen geschickt.
Wenn die Liquid Democracy, jene visionäre, »flüssige« Version der Demokratie, auf Bürger wie mich angewiesen ist, dann kann man sie wohl vergessen. Schön ist das nicht. Ausgerechnet Liquid Feedback macht mir seit Tagen schlechte Laune. Ich gestehe es ungern, aber es ist so: Auf nichts hatte ich mich seit meinem Eintritt in die Piratenpartei mehr gefreut – und nichts hat mich mehr enttäuscht als dieses angeblich so phänomenale Computerprogramm.
Wie konnte das passieren? Solange ich noch auf meinen Zugangscode für Liquid Feedback gewartet hatte, gehörte ich zu den Verfechtern der neuen Homeoffice-Demokratie. Ich brannte darauf, endlich abends daheim am Küchentisch mit ein paar Mausklicks die Parteipolitik mitzubestimmen. Ich wollte nicht länger nur auf Mumble mitreden oder irgendwelche Mailinglisten lesen,
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