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Piratenbraut

Piratenbraut

Titel: Piratenbraut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Geisler
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gleich zweimal. Bin ich mein eigenes politisches Double geworden?
    Zugegeben, ein bisschen unheimlich ist mir mein Doppelgängertum schon. Eigentlich müsste die Mitgliederverwaltung doch stutzig geworden sein, als da eine zweite Anmeldung von mir eintrudelte. Kann nicht jeder Volleyballverein in seiner Mitgliederdatenbank erkennen, wenn es zwei Aktive gleichen Namens gibt, und überprüfen, ob der erste dieselbe Adresse und dasselbe Geburtsdatum hat wie der zweite? Warum nicht die Piraten? Schwer vorstellbar, dass ausgerechnet in der Verwaltungssoftware dieser Nerd-Partei eine solche Funktion fehlt. Und wenn, dann sollte sich doch unter all den Softwareentwicklern mit Piratenparteibuch einer finden, der so etwas mal eben nach Feierabend dazuprogrammiert!
    Der neuen E-Mail nach bin ich der Piratenpartei diesmal am 12. Juli beigetreten. Sicherlich hat die Partei dafür eine Erklärung, mir fällt nur gerade keine ein. Ich weiß noch, dass ich an jenem Donnerstag mit den Kindern im Spielecafé war, weil es regnete. Abends saß ich mit der Crew im »Caminetto«. Einen Mitgliedsantrag habe ich am 12. Juli nirgendwo eingereicht.
    Wenn es mein handschriftlicher Mitgliedsantrag aus der Schreibtischablage in der Parteizentrale nach zehn Wochen auf wundersame Weise doch noch in die Datenbank geschafft haben sollte, dann müsste mein Beitritt eigentlich auf den 7. Mai datiert sein. Ich lese weiter:
    »Deinen Zugangscode für Liquid Feedback erhältst du, nach der Zahlung deines Mitgliedsbeitrags, in einer separaten E-Mail.«
    Jetzt bin ich platt. Kann ich auf diese Weise etwa auch an einen zweiten Liquid-Feedback-Account kommen? Einfach zwei Mitgliedsanträge ausfüllen, doppelt bezahlen – und schon ist mir eine weitere Stimme sicher? Dann könnten das ja auch alle anderen! Ich finde die Sache jetzt wirklich irritierend.
    Hatte ich nicht unlängst selbst einem Anrufer in der Parteizentrale geraten, er solle einfach einen zweiten Antrag ausfüllen? Und hatte nicht ein Pirat beim Crew-Treffen erzählt, er habe insgesamt drei dieser Zettel abgeschickt? Ich gönne meiner Partei, dass sie so viele neue Mitstreiter wie möglich findet. Laut Piraten-»Wiki« sind es aktuell 33.339 Mitglieder. Doch wie viele Doppel- oder Tripelgänger befinden sich wohl darunter? Und wer weiß, ob einige von ihnen nicht längst auch Nebenaccounts im Liquid Feedback angemeldet haben.
    Wenn sich die Demokratiesoftware durch diese Hintertür so einfach manipulieren ließe, dann wäre das aus meiner Sicht: ein Unding.
    Gerade gestern erst hatte ich mir auf der Website der Liquid-Feedback-Entwickler eine Zwischenbilanz ihres Projekts durchgelesen. Darin bemängelt einer der Erfinder den Umgang der Piratenpartei mit dem Abstimmungsprogramm. Seine Sorge: Manipulationen im Liquid Feedback.
    Ich rufe den Text noch einmal auf. So langsam beginne ich zu verstehen, was es mit diesem komplizierten Streit zwischen den Liquid-Erfindern und der Piratenpartei auf sich hat. Die Entwickler des Programms wollten ursprünglich, dass in ihrer Software namentlich abgestimmt wird – um Fake-Stimmen, im Piratenjargon flapsig »Sockenpuppen«-Accounts genannt, zu verhindern. Doch die Piratenpartei erlaubt den Teilnehmern, mit Pseudonym im Liquid Feedback aktiv zu sein. So sind die Entwickler der Software inzwischen aus der Partei ausgetreten – und im Liquid Feedback der Piratenpartei heute viele Nutzer unter Namen wie Pirat123, bulldog007 oder Hammerpirat registriert. All diesen Profilen ist eins gemein: Niemand kann erkennen, wer sich dahinter verbirgt.
    Damit, beklagte einer der Entwickler des Programms in seiner Zwischenbilanz vom August 2011, sei »die Überprüfbarkeit der Abstimmungen verloren« gegangen.
    Gestern hatte ich diese Kritik noch gelangweilt überlesen. Nun verstärkt der Text mein ungutes Gefühl. Einer der Erfinder der Software behauptet: Die Piratenpartei habe das Betriebskonzept von Liquid Feedback so verändert, dass »nun auch die Akkreditierung der Mitglieder nur noch mit erheblichem Aufwand prüfbar« sei. Die routinemäßig vorgesehene »Teilnehmerkreisprüfung« sei bisher nie umgesetzt worden.
    Schon im Januar 2011 hatten die Liquid-Feedback-Erfinder den »lieben Piraten« in einem offenen Brief heftige Vorwürfe gemacht. Der Bundesvorstand habe das System »nicht auf angemessene Weise installiert«, kritisierten sie. Es finde keine »ordentliche Akkreditierung der Piraten – geschweige denn eine zeitnahe Sperrung ausgetretener Mitglieder«

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