Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
Vom Netzwerk:
Rauch; es stank nach Schweiß, Fleisch und Bier. Das Licht der Gaslampen wurde von dem in der Luft hängenden Mief getrübt. Öfen, angezündet, um die Kälte der Abenddämmerung fernzuhalten, machten den Raum stickig. Der Gesprächslärm war so groß, dass man schreien musste, um sich verständlich zu machen, was die Lautstärke weiter ansteigen ließ. Kellnerinnen schlängelten sich zwischen den primitiven Holztischen hindurch und wichen geschickt den Aufmerksamkeiten von Männern mit groben Augen und schnellen Händen aus.
    Begraben im Innern der stehenden Menge, hielt Frey an einem Tisch voller Zinnkrüge Hof. Er beendete gerade eine Geschichte aus seiner Jugend, in der er als Transporteur für Dracken Industries gearbeitet hatte. In der Geschichte ging es um die senile Mutter eines Mitarbeiters, die irgendwie an die Steuerelemente eines unbewachten Traktors herangekommen war und ihn in einen Stapel Käfighühner gelenkt hatte. Die Pointe kam so schwungvoll, dass Pinn Bier aus der Nase spritzte, was Malvery derart zum Lachen brachte,
dass es ihn würgte. Crake beobachtete die Szene mit höflichem Lächeln. Harkins schaute nervös auf die Umstehenden; er wünschte offensichtlich, er wäre irgendwoanders, nur nicht hier. Malvery hatte den schlaksigen Piloten überredet, an diesem Ausflug teilzunehmen, weil er dachte, es würde ihm guttun, einmal unter Leute zu kommen. Harkins gefiel der Gedanke überhaupt nicht, aber er hatte sich trotzdem einverstanden erklärt, um das geringste Risiko zu vermeiden, durch eine Weigerung Missfallen zu erregen.
    Jez und Silo waren nicht dabei. Jez trank keinen Alkohol und blieb für sich; Silo verließ das Schiff nur selten.
    Crake nippte an seinem Bier, während Pinn und Malvery sich wieder fingen. Seine Kameraden waren allesamt betrunken und fröhlich, nur Harkins strahlte Unbehagen aus, obwohl er bereits drei Krüge intus hatte. Crake war immer noch bei seinem ersten. Sie hatten es aufgegeben, ihn zum Mithalten zu drängen, nachdem er sie überzeugt hatte, dass er sich nicht umstimmen lassen würde. Er hatte an diesem Abend noch etwas anderes vor, und dazu gehörte es nicht, sich mit billigem Alkohol volllaufen zu lassen.
    Wie leicht sie vergaßen, dachte er. Als wäre Macardes Revolver an seinem Kopf eine nicht weiter erwähnenswerte Belanglosigkeit. Als könnte der Massenmord an Dutzenden Unschuldiger mit ein paar Nächten exzessiven Alkoholgenusses ausgelöscht werden.
    War das ihr Geheimnis? Lebten sie so in dieser Welt? Wie Tiere, deren Augenmerk nur dem galt, was sie vor sich sahen. Lebten sie im Augenblick, ohne einen Gedanken an die Vergangenheit, ohne Sorge um die Zukunft?
    Auf Pinn traf das zweifellos zu. Er war zu dumm, um solch ungreifbare Dinge wie Vergangenheit oder Zukunft zu verstehen. Wann immer er davon sprach, tat er es mit
einem solch niederschmetternden Mangel an Verständnis, dass Crake den Raum verlassen musste.
    Pinn faselte unaufhörlich von Lisinda, einem Mädchen aus seinem Dorf, seiner Liebsten, die zu Hause auf ihn wartete. Ihr galten seine Anbetung und Loyalität, jetzt und immerdar. Sie war eine Göttin, ein jungfräuliches Idol, die Frau, die er heiraten würde. Nach einer kurzen Romanze – in deren Verlauf sie keinen Sex gehabt hatten, wie Pinn stolz erklärte, als wäre das nur seiner ungeheuren Zurückhaltung zu verdanken gewesen – hatte sie ihm erklärt, sie liebe ihn. Nicht lange danach hatte er ihr eine Nachricht hinterlassen und war in die Welt hinausgegangen, um sein Glück zu machen. Das war vier Jahre her, und er hatte sie seitdem weder gesehen noch Kontakt mit ihr aufgenommen. Er würde als reicher und erfolgreicher Mann zurückkommen – oder gar nicht.
    Pinn sah sich als ihr strahlender Ritter, der eines Tages zurückkehren und ihr all die wundervollen Dinge schenken würde, die sie seiner Ansicht nach verdiente. Die schlichte Wahrheit – die Crakes Ansicht nach für jeden nicht völlig Gehirnamputierten auf der Hand lag – war, dass dieser Tag niemals kommen würde. Das wenige Geld, das Pinn besaß, verschleuderte er sofort wieder für fleischliche Vergnügungen. Er spielte, trank und hurte herum, als wäre es der letzte Tag seines Lebens, und genauso flog er auch. Selbst wenn er es irgendwie schaffte, lange genug zu überleben, um durch einen glücklichen Zufall ein Vermögen zu machen, hatte das einfältig wirkende, unscheinbare Mädchen – dessen Bild Pinn allen und jedem voller Begeisterung zeigte – ihn bestimmt längst

Weitere Kostenlose Bücher