Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
Vom Netzwerk:
die nicht verschlossen war. Er spähte hindurch und sah einen unordentlichen Vorraum voller Werkzeug vor sich. Schmutzige Handschuhe und Gummimasken mit Gasfiltern hingen an Haken. Frey schloss die Tür hinter sich, und der Generatorenlärm wurde leiser. Eine weitere Tür führte zu einem dahinterliegenden Raum, aus dem nun lautes Schnarchen an sein Ohr drang.
    Schnarchen war gut. Wenn es keine besonders raffinierte Falle war – Frey stellte sich kurz einen Attentäter mit scharfen Augen vor, der mit erhobenem Dolch hinter der Tür lauerte und laut schnarchte –, bedeutete es, dass der Feind nichts ahnte, unbewaffnet und folglich deutlich im Nachteil war. Wenn Frey gegen jemanden kämpfen würde, dann möglichst nur unter solchen Bedingungen.
    Er hob die Tür in den Angeln etwas an, um das Knarren zu minimieren, schob sie auf und zuckte sofort zurück. In dem Raum dahinter roch es derart überwältigend nach Käsefüßen
und abgestandenen Fürzen, dass Frey einen Brechreiz unterdrücken musste. Er warf einen kurzen Blick auf eine der Gasmasken, die an der Wand hingen, holte dann tief Luft und schlüpfte durch die Tür.
    Der Raum war ein Trümmerfeld. Überall lagen benutzte Teller mit Essen, halbleere Flaschen mit längst sauer gewordener Milch und pornografische Ferrotypien aus bestimmten zweifelhaften Publikationen herum (Frey sah etliche Frauen, die er kannte). In der Ecke, auf einer von weggeworfenen Hühnerknochen und Grog-Flaschen umgebenen Pritsche, lag ein Hügel aus behaarter weißer Haut, in eine schmutzige Decke gewickelt. Frey brauchte eine Weile, um herauszufinden, wo der Kopf war. Er fand ihn erst, als sich in einem von Krümeln übersäten schwarzen Haarwust ein klaffendes feuchtes Loch auftat, aus dem ein schreckliches Schnarchen drang, das sich wie das Todesröcheln eines an Verstopfung leidenden Warzenschweins anhörte.
    Frey hielt sein Entermesser auf die zitternde Masse des nackten Hausmeisterbauchs gerichtet und schob sich langsam durch den Raum zur Tür am anderen Ende. Als er feststellte, dass sie verschlossen war, schaute er sich suchend in dem Raum um und entdeckte unter einem Häufchen abgeschnittener Zehennägel einen Schlüssel. Er zog ihn behutsam hervor, steckte ihn ins Schloss und ging hinaus. Der Hausmeister, tief in seinem betrunkenen Schlummer, rührte sich nicht.
     
    Es dauerte eine Weile, bis er den Weg zu den Schlafsälen fand. Wie eine rasche Suche ergab, war das Kellergeschoss des Gebäudes ein Labyrinth halbdunkler Gänge und Rohre, ohne Zugang zur eigentlichen Einsiedelei, vermutlich, um zu verhindern, dass der Hausmeister hineingelangte und
den Akolythen einen hässlichen Schock versetzte. Es musste einen anderen Eingang für den Hausmeister geben, weil die Sturmtür von außen verschlossen gewesen war, aber Frey fand ihn nicht. Dafür fand er jedoch einen Schornstein, in dem er unter erheblichen Schwierigkeiten und mit großem Missbehagen nach oben kletterte.
    Als er rußgeschwärzt und zerzaust dem Kamin entstieg, befand er sich in einer kleinen Halle. Türen boten Zugang zu anderen Räumen, und eine breite Treppe führte zu den oberen Stockwerken hinauf. Das Gebäude hatte eine saubere, stille, ländliche Anmutung: die kühle, gedankenverlorene Atmosphäre eines alten Hauses bei Nacht. Glühlampen brannten in schlichten eisernen Halterungen; die Ausstattung war zurückhaltend und spärlich. Es gab weder Götzenbilder noch Schreine, wie die alten Götter sie vielleicht verlangt hätten. Der einzige Hinweis auf den Verwendungszweck des Gebäudes war ein düsteres, goldgerahmtes Porträt des Königs Andreal von Glane, Vater der Erwecker und Letzter aller Könige. Er war in seiner königlichsten Pose dargestellt worden. Nichts deutete auf den Wahnsinn hin, der ihn später befallen und dazu gebracht hatte, Prophezeiungen vor sich hin zu brabbeln, die letztendlich weit mehr Einfluss auf das Land gehabt hatten als er selbst während seiner Regentschaft.
    Kaum etwas hier lenkte den Geist von seiner Andacht ab. Es gab nur paneelierte Türen, massive Balken, glatte Geländer und das missbilligende Gefühl unerlaubten Eindringens, das mit jedem verstreichenden Moment schwerer auf Frey lastete.
    Nirgends Wachposten. Nur Frauen hier drin, rief er sich in Erinnerung. Seit wann hast du Angst vor Frauen?
    Dann fiel ihm Trinica Dracken ein, und ihm wurde ein
wenig übel. Sie belegte den Spitzenplatz auf der Liste all jener Menschen, die er nie wiedersehen wollte.
    Vergiss sie

Weitere Kostenlose Bücher