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Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls

Titel: Piratenmond - Wooding, C: Piratenmond - Retribution Falls Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chris Wooding
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Musikalisches Zwischenspiel – Fredger Cordwain – Vexford rückt an – Morcutt der Rüpel
    Die Nacht war warm, und die Luft schrillte vom Gesang der Insekten. Üppige Pflanzen zischelten und raschelten in der tropischen Brise. Im Laubwerk verborgene elektrische Lampen beschienen einen uralten Steinpfad, der sich den Hügel hinaufschlängelte, zu den Lichtern und der fernen Musik. Nord-Vardia mochte zu Eis erstarrt sein, aber hier auf den Feldspat-Inseln kam der Winter niemals.
    Crake und Jez gingen Arm in Arm von Bord der luxuriösen Passagiermaschine, die sie vom Festland herübergebracht hatte. Crake blieb stehen, um die Ärmelaufschläge seiner geliehenen Jacke zurechtzuzupfen, dann lächelte er seiner Begleiterin zu, um ihr zu zeigen, dass er bereit war. Jez gab sich Mühe, nicht so auszusehen, als würde sie sich in ihrem eng anliegenden schwarzen Kleid unwohl fühlen, während sie vom Flugzeug zum Erdboden hinunterstiegen. Am Fußende der Treppe wurden sie von einem Diener empfangen, der höflich um ihre Einladungen bat. Crake reichte sie ihm und stellte sich als Damen Morcutt von den Morcutts aus Marduk vor, die er erst vor kurzem erfunden hatte.
    »Und das ist Miss Bethinda Flay«, sagte er und hob Jez’
Hand, damit der Diener einen Diener machen und sie küssen konnte. Der Mann sah Crake in Erwartung näherer Erläuterungen an, aber Crake zwinkerte ihm nur verschwörerisch zu und sagte: »Sie ist ziemlich neu in diesem Spiel. Seien Sie nett zu ihr, hm?«
    »Ich verstehe, Sir«, sagte der Diener. »Seien Sie willkommen, Madam.«
    Jez machte einen unsicheren Knicks, und dann gingen sie beide den Weg zu dem stattlichen Anwesen auf der Hügelkuppe entlang.
    »Kleine Schritte«, raunte Crake aus dem Mundwinkel. »Nicht marschieren. Denk daran, du bist eine Dame.«
    »Ich dachte, wir wären uns einig, dass ich die Tochter eines Schiffbauers bin«, erwiderte sie.
    »Du sollst so tun, als wärst du die Tochter eines Schiffbauers, die versucht, eine Dame zu sein.«
    »Ich bin die Tochter eines Schiffbauers, die versucht, eine Dame zu sein!«
    »Deshalb ist die Tarnung ja so perfekt.«
    Crake hatte die letzte Woche damit verbracht, Jez in den Grundlagen der Etikette zu unterweisen. Sie lernte schnell, aber auch ein Crash-Kurs in Manieren würde niemanden jemals überzeugen, dass sie zur Aristokratie gehörte. Letztendlich war Crake zu dem Schluss gelangt, dass die besten Lügen diejenigen waren, die der Wahrheit am nächsten kamen. Sie würde sich als Tochter eines Schiffbauers ausgeben – ein Leben, das sie sehr gut kannte. Er würde den indolenten Sohn aus reicher Familie spielen, der sich in eine Frau von niedriger Herkunft verliebt hatte und entschlossen war, sie zu seiner Braut zu machen.
    »Dadurch werden sie deine Fehler eher für naiv als für ungehörig halten«, erklärte er ihr. »Außerdem wirst du ihnen
leid tun. Sie haben das alles schon ein Dutzend Mal erlebt, diese atemlose Romanze zwischen einem jungen Aristokraten und einer Bürgerlichen. Sie wissen ganz genau, sobald es ernst wird, greift Mutter ein, und du wirst fallengelassen. Niemand vergeudet eine gute Heiratschance auf die Tochter eines Schiffbauers.«
    »Was für ein charmanter Haufen ihr seid«, bemerkte Jez.
    »Es ist ein hässliches Geschäft«, stimmte Crake zu.
    Es war ein hässliches Geschäft, aber eines, das Crake schon sein Leben lang kannte, und während er den gewundenen Pfad zwischen den rastlosen Bäumen hindurch nach Scorchwood Heights entlangging, spürte er, wie ihn ein schmerzhafter Kummer erfasste. Das Gefühl prächtiger Kleider auf seiner Haut, der Klang erlesener Musik, das kultivierte Stimmengewirr, das auf der warmen Brise zu ihnen wehte – das waren die vertrauten Dinge seines alten Lebens, und sie hießen ihn willkommen wie eine Geliebte.
    Vor sieben Monaten hatte er all dies noch für selbstverständlich gehalten und es oberflächlich und ermüdend gefunden. Dank eines Taschengeldes, das hoch genug ausfiel, um ihm bescheidenen Luxus zu sichern, hatte er verächtlich auf die Gesellschaft herabblicken können, die es ihm bezahlte.
    Doch nun hatte er das Leben auf der Flucht kennengelernt: gejagt, aller Annehmlichkeiten und jeglichen gesellschaftlichen Umgangs beraubt. Er war auf einem Schiff mit Leuten gefangen gewesen, die sich über seinen Akzent lustig gemacht und sich abfällig über seine Sexualität geäußert hatten. Er hatte dem Tod ins Auge geblickt und war Zeuge eines schändlichen Massenmordes

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