Piratin der Freiheit
Peitschenhiebe ohne den geringsten Schmerzenslaut entgegen. Anschließend
führte man ihn in den tiefsten Kielraum, wo er einen Monat im Dunkeln bleiben würde, mit Ratten und Kakerlaken als einziger Gesellschaft. Auf dem Schiff
kehrte wieder Routine ein, und in den folgenden Tagen rühmte die Besatzung die konsequente Haltung, mit der die scheinbar so zarte Silberdame die heikle Angelegenheit geregelt hatte.
»Die hat Mumm!« lautete der allgemeine Kommentar.
»Verdammt viel Mumm!«
Eine Woche später, an einem grauen, bleiernen Mor-
gen, ließ der Ausguck im Mastkorb schließlich den
langersehnten Ausruf erschallen: »Schiff in Sicht!«
Sofort stürzten sich alle, die in diesem Augenblick dienstfrei hatten, an die Reling, um den Horizont abzu-suchen. Erwartungsvoll sah man den Kapitän an, um zu erfahren, was für ein Schiff sich näherte.
»Ein Pott mit gut sechshundert Tonnen«, meinte die-
ser schließlich. »Völlig überladen, aber nur armselig bewaffnet.« Er machte eine kurze Pause und nickte
schließlich. »Ein Sklavenschiff, kein Zweifel.«
Es war tatsächlich ein Sklavenschiff, und zwar die
Maria Bernarda. Dieser stinkende, schmutzige Pott war wohl einmal ein Schiff der spanischen Flotte gewesen.
Schon beim ersten Warnschuß hißte er die weiße Flag-ge und drehte bei, denn mit seinen wenigen rostigen und minderwertigen Kanonen konnte er der vor Feuerkraft strotzenden stolzen Galeone natürlich keinerlei Widerstand leisten.
Bevor das heikle Entermanöver begann, verschwand
Celeste in ihrer Kajüte und kehrte mit der Fahne zu-rück, die sie auf Jamaika hatte sticken lassen. Man hiß-
te sie auf der Spitze des Großmasts, wo sie unter den erwartungsvollen Blicken von zweihundert Augenpaa-ren zu flattern begann.
Sie war riesengroß, hellgrün, und in der Mitte war in Schwarz eine dicke zerbrochene Kette gestickt.
Dann gelang es der Dama de Plata, längsseits des
Sklavenschiffs zu gehen. Dessen Kapitän war ein halbnackter Marseiller, der sich völlig kahlgeschoren hatte, um sich auf diese Weise – wie fast alle seine Männer –
die Heerscharen von Läusen, Flöhen und Zecken vom
Leib zu halten, die offenbar das erbärmliche Schiff geradezu verseucht hatten. Verächtlich wies er auf die seltsame Fahne.
»Was zum Teufel soll das bedeuten?«
»Das heißt, alle Sklaven an Bord sind frei«, erwiderte der Venezianer in fast perfektem Französisch.
»Mit welchem Recht?«
Arrigo Buenarrivo wies vielsagend auf seine Kanonen.
»Reicht das?« fragte er sarkastisch.
»Vollkommen…«
»Dann kommt an Bord.«
Man legte ihm eine Planke hinüber, und geschickt balancierte der glatzköpfige Kapitän auf die Dama de
Plata. Buenarrivo führte ihn in die Offiziersmesse, wo ihn Celeste, ihr Vater, Gaspar Reuter und Sancho Mendana erwarteten.
»Potzblitz!« grinste der Marseiller fast spöttisch. »Ei-ne schöne weiße Frau! Was für ein Luxus!«
Ein strenger Blick aus Celestes dunklen Augen genüg-te, um ihm klarzumachen, daß diese »schöne weiße
Frau« alles andere als Luxus war, sondern den Ton auf diesem imposanten Schiff, das ihn aufgebracht hatte, angab. Plötzlich klang der Marseiller sehr besorgt:
»Darf man erfahren, was das alles soll und was ihr
vorhabt?«
»Die Sklaven zu befreien und dein Schiff zu verbrennen. Gut möglich, daß wir dich auch aufhängen las-
sen«, entgegnete das Mädchen in einem Ton, an dem es nichts zu deuteln gab. »Letzteres hängt ganz von dir ab.«
»Was habe ich zu tun?« erkundigte sich der glatzköpfige Kapitän. Er war unterwürfig und lammfromm ge-
worden.
»Mit uns zusammenarbeiten.«
»Wie?«
»Zunächst einmal erzählst du uns, wem das Schiff ge-hört, wo ihr die Sklaven an Bord genommen habt und
was euer endgültiges Ziel ist.«
»Die Maria Bernarda gehört Monsieur Francois Dide-
rot aus Le Havre. Wir sind in Abidjan mit gut 700 Sklaven aufgebrochen, allerdings sind etwa 90 unterwegs gestorben. Unser Zielhafen ist vermutlich Martinique.«
»Wie oft hast du diese Überfahrt schon als Kapitän eines Sklavenschiffs gemacht?«
»Das hier ist die dritte, allerdings hatte ich beschlossen, nicht mehr weiterzumachen, denn die Bedingungen sind einfach infernalisch. Wenn ich Euch einen Rat geben darf, dann haltet Abstand von der Maria Bernarda.
Dort wimmelt es vor soviel Ratten, Kakerlaken, Läusen und anderen Parasiten, daß Ihr das Schiff nur zu strei-fen braucht, um Euch zu infizieren.«
Das Mädchen schaute ihn lange an und nickte
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