Piratin der Freiheit
als höchste Raffinesse. Exotische Pro-dukte aus Übersee waren in den oberen und mittleren Schichten bald so begehrt, daß sich clevere Kaufleute goldene Nasen verdienten.
Eine einzige erfolgreiche Rundfahrt brachte das Tau-sendfache des investierten Gelds ein, und da sich die britische Krone bekannterweise sehr direkt an diesem überaus lukrativen Handel beteiligte, fiel es kaum einem Reeder ein, daß solches Tun etwas Illegales oder Verwerfliches an sich haben könnte.
Von Zeit zu Zeit trat zwar einer für die Rechte der Schwarzen ein, doch für den hatte man stets die gleiche Antwort parat. Schließlich konnten diese Menschen auf diese Weise einem Kontinent den Rücken kehren, wo
sie in grenzenloser Not lebten und in ständige Stam-meskämpfe verwickelt waren, und bekamen dafür einen
»zivilisierten« Kolonisten als Herrn, der sie versorgte, beschützte und ihnen den Weg zum Seelenfrieden und
zum wahren Glauben wies, den sie ansonsten nicht im Traum gefunden hätten.
Kapitän Buenarrivo hatte daher schon recht: Ein Sklavenschiff war wie ein Maultier mit Ohrenklappen, das nur in eine Richtung laufen konnte und für das es kein Zurück gab.
Zudem war die Küste Guyanas noch recht nahe, wäh-
rend Afrika für die Maria Bernarda am Ende der Welt zu liegen schien.
Am Nachmittag fällte Celeste Heredia schließlich eine Entscheidung, die von der Not diktiert war. Sie ließ dem französischen Kapitän den Befehl übermitteln, er solle seinen ursprünglichen Kurs halten, bis das Festland in Sicht käme.
Die Dama de Plata folgte ihr wie ein Schatten.
In der gleichen Nacht lag Celeste wieder einmal in einer Hängematte auf dem Achterdeck, um frische Luft
zu schöpfen. Sie pflegte dort viele Stunden zu verbringen und die Sterne zu beobachten. Da ließ sich Hauptmann Sancho Mendana neben ihr nieder und tätschelte ihr unbefangen die Hand. Immerhin war er bei ihrer
Geburt dabeigewesen und hatte gesehen, wie sie auf-
gewachsen war.
»Nimm dir das nicht zu Herzen«, bat er. »Du kannst
nichts anderes tun.«
»Und glaubst du, daß es genug ist?«
»Genug?« fragte der schnauzbärtige Offizier verblüfft, als könne er nicht glauben, was er da hörte. »Nun
komm aber, Kleine! Die Sklaverei ist so alt wie die Menschheit, und soweit ich weiß, bist du der erste
Mensch, der immer frei gewesen ist und trotzdem sein Leben und sein Vermögen für diese armen Teufel aufs Spiel setzt. Was willst du noch?«
»Es haben sich schon viele andere für die Schwarzen eingesetzt«, wandte sie ein.
»Mit Worten schon! Pfarrer, die schöne Predigten halten, oder Träumer, die eine utopische Welt proklamieren, in der die Hautfarbe nicht zählt und alle Menschen gleich sind. Von denen gibt es viele. Aber von denen, die sagen >Hier ist mein Geld, und hier stehe ich, und wenn es mich meine Haut kostet<, von denen kenne ich keinen einzigen.«
»Vielleicht liegt das daran, daß sie kein Geld haben«, protestierte das Mädchen.
»Aber eine Haut haben sie sehr wohl, und nur sehr
wenige haben diese für die Schwarzen riskiert.«
»Du tust es doch.«
»Weil du mich dazu gedrängt hast«, erinnerte sie der andere. »Du hast einem alten einsamen Mann, der nur noch Alpträume kannte, einen Traum geboten. Warum
hätte ich mich nicht an einen Traum klammern sollen, der mich zwanzig Jahre jünger macht?« Er holte seine alte Pfeife aus dem Beutel und zündete sie an. »Inzwischen bin ich bereit, mein Leben zu geben, um die
Schwarzen zu verteidigen. Aber noch vor einem Monat habe ich ihnen nicht einmal einen einzigen Gedanken geschenkt.«
»Rede ich etwa mit einem Bekehrten?« fragte Celeste sichtlich belustigt.
»Jeden in meiner Lage kann man bekehren«, erwiderte Hauptmann Sancho Mendana. »Aber wie soll man verstehen, daß ein Mädchen, das eine prachtvolle Zukunft vor sich haben und sich mit ihrem Geld einen Palast am schönsten Ort der Welt kaufen könnte, auf all das ver-zichtet? Was hat dich zu einem solchen Entschluß getrieben?«
Celeste Heredia dachte lange über ihre Antwort nach, betrachtete das dunkle Meer, auf dem sich schwach die Positionslichter der zwei Seemeilen backbord segelnden Maria Bernarda spiegelten, und fragte schließlich:
»Erinnerst du dich an meinen Lehrer, Bruder Anselmo de Avila?«
»Natürlich! Ein faszinierender Mensch. Und sehr in-
telligent.«
»Ein Weiser, ja fast ein Heiliger! Ich war ein trauriges kleines Mädchen, rebellisch und verbittert, das immer wieder an Selbstmord dachte. Das Leben
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