Piratin der Freiheit
seiner Sache sicher. »Kein Außenstehender, denn ich stehe genau vor dem Eingang Wache. Ich hät-te also sehen müssen, wenn einer hineingegangen wä-
re.«
»Und wie viele Männer schlafen in diesem Raum?«
»Sechzehn, mich eingeschlossen.«
»Sollen wir also unter fünfzehn Verdächtigen herausfinden, wer deine Golddublone hat?« murmelte der Venezianer konsterniert. »Das wird sehr schwer sein, findest du nicht? Außerdem wird das viel böses Blut unter deinen Kameraden geben.«
»Daran habe ich schon gedacht, Kapitän«, gab der Bestohlene zu, der sein Geld offenbar unbedingt zurück-haben wollte. »Aber es gibt noch viel böseres Blut, wenn sie erfahren, daß ein Dieb unter ihnen ist, aber keine Ahnung haben, wer es ist.«
»Da hast du natürlich recht, aber wie soll ich das bloß anstellen? Schließlich kann ich ja nicht fünfzehn Männer foltern, bis einer gesteht.«
»Das ist mir schon klar«, entgegnete der andere mit bewundernswertem Selbstvertrauen. »Aber sie brauchen mir nur ihr Geld zu zeigen. Ich erkenne das mei-ne.«
»Hast du es etwa markiert?«
»Nicht direkt. Aber ich erkenne es.«
»Bist du sicher?« mischte sich Celeste ein, die sich bis dahin aus der Diskussion herausgehalten hatte. »Ich habe keine Lust, wegen einer läppischen Dublone eine unangenehme Situation heraufzubeschwören, aber die
Vorstellung, einen Dieb an Bord zu haben, gefällt mir noch weniger.«
»Ich denke, ich bin sicher, Senora«, kam es zurück.
»Aber falls ich mich täusche, nehme ich jede Strafe auf mich, die Ihr über mich verhängen wollt.«
»Also einverstanden«, gab sich das Mädchen geschla-
gen. »Die Männer sollen an Deck kommen.«
Eine halbe Stunde später standen die fünfzehn Zim-
mergenossen des Schlafsaals in Reih und Glied auf dem Achterdeck und wurden vom größten Teil der Mannschaft kritisch beäugt. Nun befahl ihnen der Obermaat, die Taschen zu leeren und alles Geld, was sie besaßen, vor sich hinzulegen.
Alle gehorchten ohne Widerspruch. Der bestohlene
Wachmann nahm eine Dublone nach der anderen in die
Hand, untersuchte sie und roch schließlich daran.
Beim achten Versuch mußte er niesen.
»Das ist sie!« kam es wie aus der Pistole geschossen.
Kapitän Buenarrivo nahm die Dublone in die Hand,
untersuchte sie akribisch und mußte schließlich
zugeben:
»Ich kann nicht den geringsten Unterschied zu den anderen feststellen.«
»Riecht daran!«
Der Venezianer tat es und mußte sofort niesen.
»Seht Ihr?«
»Was hat das damit zu tun?«
»Ihr müßt niesen. Ich bewahre mein Geld stets in einem Beutel mit gemahlenem Pfeffer auf, und wenn
nicht zu sehr daran gerieben worden ist, muß jeder niesen, der daran riecht.« Der Wachmann wies auf die
Dublone und fügte in einem Ton, der keinen Wider-
spruch duldete, Hinzu: »Die gehört mir!«
Celeste Heredia nahm die Münze in die Hand, roch
daran und mußte sofort niesen. Darauf entwischte ihr ein Lächeln:
»Sehr gerissen, in der Tat!« kommentierte sie belu-
stigt. »Wie heißt du?«
»Jeremias, Senora. Jeremias Centeno.«
»Und hast du noch mehr solcher Tricks auf Lager?«
»Einige, Senora. Mein Großvater war ein sehr schlau-er Mann.«
»Wir werden darauf zurückkommen«, erwiderte sie
und wandte sich dem mutmaßlichen Dieb zu. Der war
leichenblaß geworden und hatte die Augen weit aufgerissen. »Hast du etwas dazu zu sagen?«
»Nichts, Senora«, hauchte er.
»Du gibst also zu, daß du ihn bestohlen hast?«
»Ja, Senora.«
Mit strenger Stimme fragte Celeste Heredia den Kapi-tän:
»Was für eine Strafe steht gewöhnlich darauf?«
»Fünf Peitschenhiebe und fünfzehn Tage bei Wasser
und Brot im untersten Kielraum.«
Das Mädchen dachte lange nach, musterte den An-
geklagten kritisch und verkündete schließlich laut und deutlich, damit auch jeder sie verstehen konnte:
»Ich dulde keine Diebe auf meinem Schiff. Weil er
der erste war, bekommt er zehn Peitschenhiebe und
einen Monat bei Wasser und Brot im Kielraum.« Dro-
hend hob sie den Finger. »Aber beim nächsten Übeltä-
ter wird die Strafe verdoppelt, beim dritten verdreifacht, und falls es wirklich einen vierten geben sollte, lasse ich ihn aufhängen. Ist das klar?«
»Absolut klar!« erwiderte der riesige Obermaat, ein blonder, über zwei Meter langer Schwede, im Namen
aller. »Wirklich absolut klar!«
»Dann führt die Strafe aus. Hoffentlich müssen wir
nicht noch einmal eine so traurige Erfahrung machen!«
Der Schuldige nahm die zehn
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