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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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der arme Mann. »Völlig gesund! Seht Ihr das denn nicht?«
    »Noch einmal, es tut mir leid, aber wir dürfen kein Risiko eingehen!« Bedauernd befahl er seinem Adjutan-
    ten: »Nichts wie weg!«
    Diesmal war die Pfeife überflüssig. Der Zweite Offizier mußte nur eine leichte Kopfbewegung machen, und schon riß der Steuermann das Ruder nach steuerbord
    herum, ein halbes Dutzend Männer zog die Focksegel
    ein, und langsam nahm die Dama de Plata Fahrt auf.
    Sie floh vor dem Schwimmer, der wieder kräftig zu
    kraulen begann und wie ein Hund seine Beute verfolg-te.
    Es mutete schon seltsam an, daß eines der mächtigsten Kriegsschiffe der damaligen Zeit wie ein Hase vor einem einzigen nackten, unbewaffneten Verfolger floh.
    Doch in fast allen Hirnen der an die zweihundert Mann Besatzung spukten noch zahlreiche Geschichten über
    die Pest herum, die vor einiger Zeit einen großen Teil der Bewohner Europas ausgelöscht hatte.
    Rauhe Kerle, die den Krieg liebten, den Tod nicht
    fürchteten und eine Menge Hunger aushalten konnten, zitterten wie Kinder bei der bloßen Erwähnung des
    Wortes >Pest<. Mit diesem verzweifelten einsamen Schwimmer wurden die düstersten Alpträume wahr. So
    machte sich selbst dann keine Erleichterung breit, als in ihrem Kielwasser nicht einmal mehr die kleinste Spur des Verfolgers zu entdecken war. Vielleicht hatten ihn nun doch die Haie verschlungen, oder Verzweiflung
    und Erschöpfung hatten ihn besiegt.
    Erst jetzt wandte sich Buenarrivo an Celeste Heredia.
    »Und nun…?«
    Das Mädchen schauderte ein wenig, als sie Dutzende
    von Augen auf sich gerichtet sah, die nach dem leisesten Anzeichen von Schwäche suchten.
    Sie legte die Hände in den Schoß, senkte den Kopf
    und dachte nach. Schließlich stieß sie einen tiefen Seufzer aus:
    »Wir sind nun mal auf See, also müssen wir auch die entsprechenden Gesetze befolgen, auch die ungeschrie-benen.« Sie blickte ihren Vater an. »Mit so einer bitteren Situation hätte ich nie gerechnet, aber es kommen wohl noch andere nicht minder schwere, und mit denen muß ich auch fertigwerden.« Sie blickte den Venezianer an, und ihre Stimme zitterte nicht im geringsten:
    »Versenkt das Schiff!«
    Buenarrivo wollte den Befehl weitergeben, aber
    Hauptmann Sancho Mendana legte ihm die Hand auf
    die Schulter und bemerkte gelassen:
    »Das ist meine Aufgabe! Ich sorge dafür, daß es sauber und schnell geschieht.«
    »Backbord oder steuerbord?«
    »Steuerbord.«
    Zehn Minuten später fuhr die Galeone sehr langsam
    und stets luvwärts auf das Sklavenschiff zu. Obwohl vom Deck und sogar von den Strickleitern und Masten eine Handvoll Männer um Mitleid flehten, feuerten
    vierzig Kanonen gleichzeitig schwere Kugeln ab, die auf dem bereits zerfressenen Rumpf einschlugen. Das Schiff zerbrach sofort, fing Feuer und sank.
    Zahlreiche, zum Teil schon halbtote Männer und viele tausend Ratten stürzten sich sofort ins Meer, und jetzt begann für die Haie, die bis zu diesem Augenblick
    gleichgültig geblieben waren, ein furioses Festmahl, das sich sehr wahrscheinlich bis in die frühen Nacht-stunden fortsetzte.
    Ihr Tod hatte viele Namen: die Pest, das Feuer, das Wasser, die Haie und die Verzweiflung, denn sie wuß-
    ten, daß sie sterben mußten, weil niemand in dieser Welt dulden würde, daß sie am Leben blieben.
    Langsam erhob sich Celeste Heredia und ging zur
    Deckreling des Achterkastells. Als sie sicher war, daß alle Männer sie ansahen, verkündete sie mit zittriger Stimme:
    »Wer von euch jemals an etwas geglaubt hat, soll mit mir für das Seelenheil dieser Unglücklichen beten. Gott weiß, daß ich sie lieber gerettet hätte, aber er weiß auch, daß wir das nicht tun konnten.«
    Auch der letzte Heide an Bord der Dama de Plata
    neigte die Stirn, und jeder bat in seiner Sprache seinen Gott, sich dort oben derer anzunehmen, die dort langsam im tiefsten Ozean versanken.
    Es wurde schon dunkel, als sie wieder auf Höhe der
    Maria Bemarda ankamen. Bald tauchte der kahlgescho-
    rene Kapitän auf der höchsten Stelle des Achterkastells auf und rief hinüber:
    »Was ist passiert?«
    Barsch und endgültig kam die Antwort von Kapitän
    Buenarrivo:
    »Die Pest!«
    Demonstrativ schlug der Sklavenhändler das Kreuz-
    zeichen und verschwand in seiner Kajüte. Erst drei Ta-ge später zeigte er sich wieder. Da ankerten die beiden Schiffe bereits vor der Mündung des Manamo. Das war einer der unzähligen Arme des Orinoco, der hier in einem Delta in den Golf von Paria

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