Piratin der Freiheit
Vorfahren dafür gekämpft haben, damit ich frei zur Welt kommen konnte, dann ist es meine Pflicht, dafür zu kämpfen, daß andere ebenfalls frei geboren werden können, egal welche Hautfarbe sie haben.«
»Ihr seid wahnsinnig!«
»Jetzt schau dir mal den an!« Celeste mußte sich sichtlich beherrschen. »Das von einem Wahnsinnigen, der
zum ersten Mal ein Schiff befehligt und sich auf ein anderes stürzt, das ihm an Tonnage, Feuerkraft und Erfahrung um das Doppelte überlegen ist.« Sie machte
eine wegwerfende Handbewegung. »Schickt ihn auf
das französische Schiff zurück, und laßt nicht zu, daß er seines noch einmal betritt.« Dann zeigte sie mit dem Finger auf ihn, und an ihrer Drohung war kein Zweifel möglich: »Falls sie bei Anbruch der Nacht noch in
Reichweite unserer Kanonen sind, dann schicke ich sie ohne das geringste Bedauern auf den Grund des Meeres.«
Die letzten Sonnenstrahlen leuchteten auf der entfalteten Takelage der französischen Fregatte, die sich in Richtung Nordwesten entfernte. Die Cuxhaven schau-kelte dagegen weiter auf den hohen Wellen, die von
Westen heranrollten. Kapitän Buenarrivo entschied sich daher dafür, eine Patrouille an Bord zu schicken. Der Holländer konnte schließlich eine Falle gestellt haben, die das Schiff in Gefahr brachte.
»Offiziell können wir das Schiff erst am nächsten
Morgen in Besitz nehmen, wenn wir uns an die Gesetze halten wollen, aber was zum Teufel bedeuten hier
schon die Gesetze der >zivilisierten< Welt.« Er wandte sich dem Zweiten Offizier zu. »Aber das Logbuch muß unmißverständlich verzeichnen, daß wir die Cuxhaven heute nur inspizieren, sie aber mit dem Datum von
morgen in Besitz nehmen.« Er blickte Celeste an, die aufmerksam zuhörte: »Morgen gehört das Schiff Euch, allerdings müßt Ihr ein Drittel seines geschätzten Werts unter der Besatzung verteilen. So lautet das Gesetz«, lächelte er belustigt. »Wie wollt Ihr es nennen?«
»Sebastian.«
»Einverstanden! Der Zimmermann soll Schilder mit
dem neuen Namen fertigen und der Ausguck nach dem
Löwenkopf suchen. Es bringt Unglück, wenn ein Schiff mit geköpfter Galionsfigur segelt.«
»Spart Euch das«, unterbrach ihn das Mädchen. »Der
Zimmermann soll einen Krokodilskopf schnitzen.«
»Wollt Ihr etwa einen krokodilsköpfigen Löwen als
Galionsfigur haben?« fragte der Venezianer verblüfft.
»Das wäre ganz schön kurios!«
»Ist das Wappentier Venedigs vielleicht kein geflügelter Löwe?« fragte sie. »Wo ist da der Unterschied…?«
»Auch wieder wahr!«
Bei Tagesanbruch warfen sie die Taue zum Bugspriet
der Fregatte hinüber, um sie abzuschleppen. Schließlich ankerten sie die Cuxhaven in der Mündung eines Flüß-
chens gut zehn Meilen vom Kap der Drei Spitzen ent-
fernt. Es dauerte keine zwei Stunden, da bat Pater Barbas erneut um Erlaubnis, an Bord kommen zu dürfen.
Kaum war er an Deck, schüttelte er allen, die seinen Weg kreuzten, herzlich die Hand.
»Phantastisch!« rief er immer wieder aus wie ein begeisterter kleiner Junge. »Phantastisch! Diesen Hundesöhnen habt ihr es aber gezeigt. Bei Gott, was für ein Sieg! Was für ein Sieg! Was wollt Ihr mit dem Schiff machen?«
»Es ausrüsten, um Sklavenschiffe zu versenken, aber dafür brauchen wir eine Besatzung«, klärte ihn Celeste auf. »Könnt Ihr uns eine beschaffen?«
»Eingeborene?«
»Wen sonst?«
Ein breites Lächeln zeigte sich auf dem entstellten Gesicht und machte aus der tiefen Narbe fast ein Grüb-chen. Unerhört genüßlich küßte der Navarrese die Hand des Mädchens.
»Danke!« sagte er. »Tausend Dank! Ich schwöre, Ihr
werdet es niemals bereuen. Ich verschaffe Euch die beste Besatzung, die jemals existiert hat, und wir werden der Welt beweisen, was eine Handvoll gut ausgebilde-ter Schwarzer vermag.«
Nur waren es keine jungen, tatkräftigen schwarzen
Männer, die, bereit, für ihre eigene Freiheit und die ihrer Stammesbrüder zu kämpfen, Pater Barbas’ Aufruf
gefolgt waren, an Bord der ehemaligen Fregatte Cux-
haven, jetzt das stolze Antisklavenschiff Sebastian, zu dienen. Das stellte die Besatzung der Dama de Plata bald fest. Nein, es waren junge, tatkräftige schwarze Frauen, die ihr Leben einsetzen wollten, um dem
schrecklichen Blutvergießen Einhalt zu gebieten, das sie seit über einem Jahrhundert zur Ehelosigkeit zwang oder aus ihnen junge Witwen machte.
Im späten 17. Jahrhundert fing man an der leidgeprüften Sklavenküste die meisten Männer ein, wenn
Weitere Kostenlose Bücher