Piratin der Freiheit
eines Mangobaums auf und ließ Celeste Platz nehmen. Lange Zeit blieb es ganz still, als wollten alle Anwesenden ohne Hast ihre Neugier auskosten.
Der ehemalige Jesuit aus Navarra schien dieses Ritual oder Protokoll genau zu kennen. Als ihn Celeste fragend ansah, gab er ihr lediglich den Wink, in aller Ruhe abzuwarten, was passieren würde.
Schließlich erhob eine attraktive Frau mit riesigen und festen Brüsten, die nichts außer einer Halskette mit bunten Glasperlen und einem winzigen Baströckchen
trug, das ihr kaum über die Oberschenkel ging, in einem monotonen, aber einigermaßen verständlichen
Englisch die Stimme.
»Da ich die Sprache der Weißen kenne, bin ich auser-wählt worden, um dir, o große Silberdame, für alles zu danken, was du für uns getan hast. Niemand deines Geschlechts, deines Standes oder deiner Rasse hat sich bis heute um uns gekümmert, um die unendlichen Leiden,
die man unserem Volk zufügt, zu lindern, dem man
sogar abgesprochen hat, menschlich zu sein.« Zum ersten Mal wurde sie etwas lauter, fast aggressiv: »Und wir sind menschliche Wesen! Wir lieben, hassen, sprechen, denken, leiden und weinen wie die Weißen, und mit den wilden Tieren des Urwalds haben wir so wenig und mit euch so viel gemein, daß wir nicht verstehen können, warum ihr uns schlimmer als die giftigste Nat-ter behandelt. Ihr kämpft gegen unsere Männer nicht wie gegen würdige Feinde; nein, ihr jagt sie, legt sie in Ketten, erniedrigt sie und verschleppt sie ans andere Ende des Meeres, wo ihr sie arbeiten laßt wie den elen-desten Büffel, der einen Pflug zieht, bis er zusammen-bricht.« Sie stieß einen tiefen Seufzer aus, in den die Mehrheit der Zuhörer einstimmte. »Warum, große Herrin? Warum? Versuch du es uns zu erklären, als Frau, denn der gute Pater Barbas konnte es nicht, sosehr er sich auch anstrengte.«
Auf eine solche Frage fiel die Antwort sehr schwer, denn man mußte sie Menschen geben, die in perfektem Einklang mit der Natur lebten und sich daher einfach nicht vorstellen konnten, daß einer ein Vielfaches von dem haben wollte, als er in hundert Jahren brauchen konnte.
Celeste Heredia wurde klar, daß jener heiße Nachmittag, jener Augenblick, ihre Zukunft für immer prägen konnte. Zum ersten Mal hatte sie es nicht mit der Män-nerwelt zu tun, in der sie geboren und aufgewachsen war, sondern mit einer neuen Welt, in der die Frauen, zu ihrem Bedauern, die einzigen Herrinnen dieser Zukunft geworden waren.
Von dem, was sie sagen würde, und von ihrer Fähig-
keit, den Frauen den Glauben zu vermitteln, den sie an ihre eigene Bestimmung hatte, hing ihr zukünftiger
Erfolg ab.
»Du fragst mich, warum der weiße Mann den schwar-
zen schlimmer als ein wildes Tier behandelt«, raunte sie schließlich. »Glaub mir, über die Jahrhunderte hat der weiße Mann bei jeder Gelegenheit andere weiße
Männer ebenso behandelt.« Sie machte eine Pause,
damit die Frau ihre Worte übersetzen konnte. »Es geht nicht um die Hautfarbe, es geht um Macht, denn die
Europäer sind daran gewöhnt, zu beherrschen, zu er-
niedrigen und auszubeuten, egal um welche Rasse es
sich dabei handelt. So war es immer, und so wird es bleiben. Heute erscheint ihnen einfach die schwarze Rasse am besten dazu, da sie die Hitze und die schwere Arbeit auf den Zuckerrohrfeldern am besten aushält.«
Die Frau, die auf den seltsamen Namen Yadiyadiara
hörte, was im örtlichen Dialekt »Mutter der Mütter« bedeutete, übersetzte ihren Gefährtinnen die letzten Worte Celestes.
Celeste betrachtete sie alle fast herausfordernd. »Ihr müßt zeigen, daß ihr nicht nur starke Söhne zur Welt bringen könnt, sondern sie auch vor Räubern zu verteidigen wißt.«
»Wie?«
»Kämpft wie eine Löwin um ihre Kinder. Was nützt
es euch, Frauen zu sein, wenn ihr keine Männer haben dürft, die euch Söhne schenken?« Sie sah ihnen nach-einander in die Augen. »Auch ich bin eine Frau, und allein bei dem Gedanken, niemals Söhne zu haben,
würde ich lieber sofort sterben.«
»Und was können wir tun?« wollte Yadiyadiara wis-
sen. »Wie können wir es mit bloßen Händen mit den
Kriegern von Mulay-Ali oder mit den Kanonen der
Schiffe aufnehmen?«
»Nicht eure Hände, euer Wille zählt«, lautete die Antwort. »Eine Waffe taugt nichts, wenn der, der sie ergreift, nicht an seine Sache glaubt. Wenn ihr Glauben habt, dann habt ihr auch Waffen. Ohne Glauben helfen euch alle Kanonen meines Schiffs nichts.«
Die Frau übersetzte wieder, und
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