Piratin der Freiheit
das Mädchen. »Wahr-
scheinlich nicht lange, aber wenigstens haben wir gezeigt, dass man ihn besiegen kann. Meiner Meinung
nach liegt das Problem vor allem darin, daß diese Menschen, von welchem Stamm sie auch immer sein mö-
gen, die Sklaverei als etwas ansehen, wogegen kein
Kraut gewachsen ist. Wie die Lämmer lassen sie sich zur Schlachtbank führen und glauben, daß sie dagegen ohnmächtig sind. Aber ein großer Sieg über jemanden, der so mächtig ist wie Mulay-Ali, wird ihre Moral stärken und ihnen die Kraft geben, es mit diesen Kanaillen selbst aufzunehmen.«
»Mulay-Ali in seinem eigenen Reich zu vernichten
wäre tatsächlich ein Meilenstein in der Geschichte der afrikanischen Sklaverei, und vielleicht ändert das ja wirklich ihren Verlauf«, fiel Pater Barbas zustimmend ein. »Vergessen wir nicht, daß die Situation seit über einem Jahrhundert Jahr für Jahr immer schlimmer geworden ist, und das demoralisiert bestimmt auch den Tapfersten.«
»Da sind wir wohl alle einer Meinung«, mischte sich Gaspar Reuter ein, so gelassen wie immer. »Aber langsam beginne ich zu glauben, daß es nicht ausreicht, nur eine Schlacht für uns zu entscheiden. Wir müssen den Krieg gewinnen.«
»Den Krieg gewinnen?« wunderte sich Sancho Men-
dana. »Wie denn?«
»Indem wir aus einem Reich des Schreckens und der
Sklaverei ein Reich des Friedens und der Freiheit machen«, beharrte der Engländer. »Wenn wir Mulay-Ali
besiegen und anschließend wieder abziehen, dann wird bald alles wieder so sein wie vorher. Aber wenn wir Mulay-Ali vernichten und an seiner Stelle eine Zuflucht schaffen, die allen Sklaven Afrikas offensteht, die nach Freiheit streben, dann säen wir wirklich die Keime einer neuen Zukunft.«
»Eine Zuflucht des Friedens und der Freiheit? Ein
Land der Befreiten?« fragte Celeste erstaunt, doch es war offensichtlich, daß sie diese Idee faszinierte.
»Du sagst es: ein Land der Befreiten.«
»Glaubst du wirklich, daß wir auf diese Weise ein
Reich gründen können, im Herzen eines unbekannten
Kontinents, in dem wir ewig von Feinden umgeben sein werden?« wollte das Mädchen wissen.
»Keiner lebt >ewig<«, erwiderte der Rothaarige lä-
chelnd. »Es stimmt zwar, daß wir viele Feinde haben werden, aber wir können auch mit zahlreichen Freun-den rechnen: mit allen, die keine Sklaven sein wollen.«
»Interessant!« murmelte Buenarrivo sehr leise. »Sehr interessant!«
»Findet Ihr?«
»So bekommt dieser Wahnsinn wenigstens einen
Sinn.« Der Venezianer zeigte hinaus. »Ein wunderschö-
nes Land mit fruchtbarer Erde, Wild im Überfluß, einem großen Fluß voller Fische und mit Menschen, die in Frieden leben wollen… Was kann man mehr verlangen?«
»Haltet Ihr es wirklich für möglich, ein >weißes< Reich im Herzen Schwarzafrikas zu gründen?« fragte
Sancho Mendana perplex. »Seid ihr alle jetzt vielleicht noch verrückter geworden, als ihr ohnehin schon seid?«
»Es handelt sich weder um ein weißes noch um ein
schwarzes Reich«, korrigierte Celeste Heredia ihn
leicht pikiert. »Wenn eine solche Utopie jemals wahr werden soll, dann muß sie sich vom Besten beider Kulturen nähren. Die Eingeborenen müssen uns lehren, in Einklang mit der Natur zu leben, wie sie es offenbar bisher getan haben, und wir werden ihnen beibringen, die Menschen zu achten.«
»Und wer hat uns beigebracht, die Menschen zu ach-
ten?« wollte der Margariteno wissen. »Schließlich dürfen wir nicht vergessen, daß die Sklaverei eine Erfin-dung der Weißen ist.«
»In diesem Punkt bin ich anderer Meinung«, warf
Gaspar Reuter ein. »Die Sklaverei hat es immer gegeben, unabhängig von Hautfarbe oder Rasse. Wenn ich
mich recht erinnere…«
j
»Einen Augenblick!« unterbrach ihn Celeste und hob
die Hände. »Ich glaube nicht, daß wir uns jetzt in spitz-findige Diskussionen über die Ursprünge der Sklaverei verlieren sollten. Unser vorrangiges Ziel ist es, diesen Hundesohn zu besiegen. Ansonsten verteilen wir das
Fell des Bären, bevor wir ihn erledigt haben.« Durch das breite Achterfenster deutete sie auf den weiten Fluß. »Soweit wir wissen, klopfen wir nun an die Tore seines Reichs.« Sie musterte alle der Reihe nach und schloß: »Hat jemand eine Idee, wie wir ihn vom Thron stoßen?«
Pater Barbas hob als erster die Hand.
»Ich glaube, ich habe eine«, sagte er.
Alkemy Makü, Kommandant von Ihjaia, einem Au-
ßenposten an der Südgrenze des Herrschaftsbereichs
des allmächtigen Königs vom Niger,
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