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Piratin der Freiheit

Piratin der Freiheit

Titel: Piratin der Freiheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alberto Vazquez-Figueroa , Freiheit_1_.doc
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schon zu Lebzeiten voll auszukosten.
    »Das Herz soll dir im Leib verfaulen und sein Gestank dich zwingen, es auszukotzen«, murmelte er, während er einen letzten Blick auf die Mauer warf, als wäre er absolut sicher, daß ihn der andere dort oben hören
    konnte. »Hoffentlich tötet dich die Angst tausend Male, bevor man dich umbringt!«
    In einer solchen Nacht wollte er nicht schlafen, und als am Morgen die Sonne aufging, da glaubte er, daß das Licht dieses Morgenrots der langersehnten Freiheit seiner Rasse leuchten würde.
    Mit Ausnahme des Steuermanns schliefen alle an Bord des Boots, und der Weise des Feuers genoß die Stille des magischen Augenblicks. Dieser fand seinen Höhepunkt, als die Strahlen der aufgehenden Sonne auf den kahlen Ast eines halbversunkenen Baums fielen, auf
    den sich in trautem Nebeneinander ein großer Adler
    und eine kleine blaue Ente niederließen.
    Als er sie betrachtete, wußte er, das war der lang ersehnte Tag, der prophezeite Tag, an dem Räuber und
    Beute friedlich miteinander leben würden: vielleicht der Tag, an dem der Mensch aufhörte, seine Brüder zu versklaven.
    Der Tag der erträumten Freiheit, die seit Anbeginn der Zeiten einem ganzen Kontinent verwehrt worden war.
    Kurz darauf sah er sie.
    Hier kamen sie…!
    Die Götter!
    Jeder andere Afrikaner hätte die Galeone und die Fregatte vielleicht für die angekündigten Feuerwagen
    gehalten, auf denen diese Götter fuhren. Für einen so eingefleischten Anhänger des Fetischkults, wie es der Bamileke-Schamane war, verwandelten sich jene Schiffe selbst in einen wesentlichen Teil der Gottheiten.
    »Feitico«, nannten die ersten portugiesischen Seeleute die afrikanischen Zauberer, was soviel wie »Träger magischer Kraft« bedeutete. Diese Schamanen waren
    überzeugte Animisten, für die sich die Präsenz der Götter in jeder Pflanze, in jedem Ding oder Tier manife-stieren konnte.
    Für die Christen bedeutete ein religiöses Gemälde lediglich ein Abbild Gottes, der Jungfrau oder der Heiligen, aber für die westafrikanischen Animisten konnte das Bild selbst Teil dieses Gottes werden und als solcher verehrt, ja angebetet werden.
    Ein Christ, der frei von Sünde ist, glaubt, in der Hostie den Leib Christi zu sich zu nehmen. Ebenso konnten
    die Götter der Eingeborenen in einem bestimmten Ob-
    jekt wohnen, und wer sich diesem frei von Sünde nä-
    herte, der näherte sich körperlich besagter Gottheit.
    Eine majestätische Galeone, die gemächlich in der
    Mitte eines ruhigen Flusses fuhr und deren weißes Segelwerk durch eine leichte Südwestbrise in spektakulä-
    rer Weise aufgebläht wurde, mußte einem Fetischan-
    hänger, dessen Leben stets die alten Glaubensvorstellungen des Bamileke-Volks bestimmt hatten, als physische Erscheinung des Gottes der Gerechtigkeit vor-
    kommen, der endlich aus seinem Exil zurückkehrte, um den Menschen sein Gesetz aufzuerlegen.
    Gott Chahad hatte vor vielen Jahren die Höchste
    Schlacht um die Gleichheit unter den Menschen verloren, und als die Sklaverei kam, sah er sich gezwungen, die Gestalt eines Reihers anzunehmen und sich im Herzen des Kontinents zu verstecken: an der natürlichen Grenze zwischen der großen Wüste und den weiten Savannen – dem heutigen Tschadsee ~, und er schwor,
    diesen nicht eher zu verlassen, bevor nicht der letzte Sklavenhändler von der Erde verschwunden war.
    Seit jenem schwarzen, bereits allzu fernen Tag hatte sich Benue, Gott der Erbarmungslosigkeit, der sich in einem wilden Büffel mit drohenden Hörnern zu inkar-nieren pflegte, zum Herrn über Urwälder, Wüsten und Savannen aufgeschwungen, über die er mit absolut brutaler und blindwütiger Gewalt herrschte.
    Manchmal konnte man in der Nähe schmutziger Tüm-
    pel und seichter Sümpfe einen grazilen Reiher sehen, der sich auf dem Rücken eines Büffels niedergelassen hatte und grimmig auf dessen rauhe Haut einpickte,
    ohne daß sich das Tier auch nur zu rühren schien. Die Eingeborenen glaubten darin ein Symbol für das zu
    sehen, was sich wirklich in der Welt abspielte, in der eine ohnmächtige Gerechtigkeit die dicke Haut der ab-gestumpften Erbarmungslosigkeit nicht einmal kratzen konnte.
    Aber das alles änderte sich jetzt.
    Als Sakhau Ndu sah, wie die schöne Galionsfigur der Dama de Plata durch das stille Süßwassermeer des gro-
    ßen Niger glitt, hatte er die absolute Gewißheit, daß Chahad sich entschlossen hatte, die Maske des harmlo-sen Reihers abzulegen, um sich statt dessen in ein wildes Kriegsschiff

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