Piratin der Freiheit
zu verwandeln, das in der Lage war, ein für allemal die »Büffel« der Erde zu vernichten.
Zeud Sekature, die Kinder und die Diener waren nicht minder erstaunt, ja bestürzt, plötzlich ein Schiff vor sich zu sehen, dessen Mast gute dreißig Meter über den Wasserspiegel des Flusses ragte und das mit drohenden Kanonen gespickt war. Einen ähnlichen Effekt würde
bei einem Bauern unserer Zeit die Landung eines
Raumschiffs von der Größe einer Stierkampfarena aus-lösen.
Eine andere Welt, von der sie kaum je etwas gehört
hatten, trat da plötzlich in ihr Leben ein, das sich niemals groß verändert hatte. Der Kontinent, die Wiege der Menschheit, wo vor Millionen von Jahren die ersten Hominiden ihre Wanderungen begannen, hatte niemals
mit dem Fortschritt Asiens, Europas oder des jungen Amerikas mithalten können.
Eine schwere Galeone und eine leichte holländische
Fregatte, die einen weiten Fluß, hundert Meilen von der nächstgelegenen Küste entfernt, hinauffuhren, mußten unvorstellbar sein. So verharrten die Augenzeugen des Wunders völlig still, mit offenem Mund und schrek-kensweiten Augen.
Das mußte ein Wunder sein!
Der Weise des Feuers gab schließlich den Ruderer einen Wink, in die Mitte des Flusses zu steuern. Er richtete sich zu neidenswerter Größe auf, breitete die Arme aus, präsentierte die Pracht seines Umhangs aus roten Ibisfedern und blieb reglos wie ein stilisierter mytholo-gischer Vogel stehen.
Seine Diener und seine Kinder ergriff die Panik, als der hohe Bug mit seiner menschenköpfigen
fischschwänzigen Silbergöttin erbarmungslos auf sie zufuhr und drohte, sie zu überrollen und ihr schlankes Kanu in Stücke zu brechen, aber plötzlich hörte man einen scharfen Piff, eine Glocke läutete, Stimmen er-tönten, und das Schiff kam kaum fünf Meter vor ihnen zum Stehen.
Ein Weißer mit langem Bart und einem von einer tie-
fen Narbe entstellten Gesicht lehnte sich über die Reling, um in recht flüssigem Ibo zu fragen:
»Wer bist du?«
»Ich bin der Weise des Feuers, Sakhau Ndu, und das
ist meine Familie«, erwiderte der Schamane, der be-
müht war, sich nicht anmerken zu lassen, daß eine kalte Eisenfaust sein Herz umklammerte.
Pater Barbas schien einige Augenblicke lang in seiner Erinnerung zu kramen, bevor er schließlich fragte:
»Der echte Sakhau Ndu, der Weise des Feuers vom
Stamm der Bamileke?«
»Genau der.«
»Ich habe von dir gehört«, räumte der Navarrese ein.
»Was willst du?«
»Dir verkünden, daß der Große Sieg von Chahad
naht.« In diesen Augenblicken fühlte sich der Scha-
mane bedeutend, und überzeugt fügte er hinzu: »Der
Tyrann Mulay-Ali wird sterben, bevor der neue Mond
erscheint.«
»Woher weißt du das?«
»Gestern hat er mich aufgesucht, und die Götter haben den Rauch seines Feuers zurückgewiesen.«
»Komm herauf!«
Sakhau Ndu gehorchte, und obwohl er ein Mann war,
der an den direkten Kontakt mit den Göttern gewöhnt war, zitterten ihm doch die Knie, als er das Deck betrat und sich den bleichen Gesichtern und den sehr hellen Augen von über zweihundert fremden Dämonen gegen-
übersah.
Wie im Traum folgte er dem Bärtigen, wobei er hier
und dort an Taue, Segel und Masten stieß, in einen gro-
ßen Salon, der ihm vorkam wie der Vorsaal des Pa-
radieses selbst und in dem vier Männer und eine Frau an einem großen, schweren Tisch saßen und ihn mit
offenkundiger Neugier ansahen.
»Das ist ein berühmter Weiser der Gegend«, hörte er seinen Begleiter in einer Sprache sagen, von der er na-türlich kein einziges Wort verstand. »Er versichert, gestern Mulay-Ali gesehen zu haben und daß die Götter ihm dessen Tod vorausgesagt haben.«
»Und woher wissen wir, daß er kein Spion ist, der uns verwirren will?« wollte der wieder einmal mißmutige Arrigo Buenarrivo wissen. »Schamanen sind für mich
lediglich eine Bande von Betrügern, und ich denke
nicht daran, einem von ihnen zu vertrauen und zu riskieren, daß mich eine Legion nackter Wilder überfällt.«
»Wie viele Krieger hat Mulay-Ali?« wandte sich Pater Barbas an Sakhau Ndu und redete ihn in seinem Dialekt an.
»Das weiß ich nicht«, erwiderte dieser ehrlich. »Aber so viele sie auch sein mögen, ein guter Teil von ihnen ist dabei zu desertieren. Sie sind in Panik wegen der falschen Nachricht von einer Epidemie.«
»Falsch…?« fragte der Ex-Jesuit erstaunt. »Wer sagt, daß sie falsch ist? Menschen und Tiere sterben zu Hunderten.«
»Mag sein, daß sie sterben,
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