Pitch Black
es meinem kleinen Bruder denn heute?«, fragte Todd fröhlich, als er ins Zimmer trat.
Jordan hatte noch vor wenigen Sekunden so normal gewirkt, dass Bobby von seinem Sohn eine ähnlich fröhliche Antwort erwartete.
Aber Jordan hatte sich wieder hinter leere Augen und diesen maskenhaften Gesichtsausdruck zurückgezogen.
Bobby beobachtete genau, wie Todd sich dem Stuhl näherte, auf dem Jordan saß.
»Jordan geht es heute so viel besser«, sagte Kate.
Todd beugte sich zu Jordan hinab. »Stimmt das?« Er legte ihm eine Hand auf die Schulter, und Bobby hätte schwören können, dass Jordan zusammenzuckte. »Du wirst sehen, du bist schneller wieder zu Hause, als du glaubst.«
Jordan blinzelte, blickte aber weiter stur geradeaus.
War das Aufflackern von Normalität nur ein flüchtiger Moment gewesen?
Todd war groß, wie sein Vater. Verwechselte Jordan in seinem verwirrten Zustand die beiden?
Die Worte des Arztes fielen ihm wieder ein. »Sein Zustand könnte in Zusammenhang mit dem kürzlich erfolgten gewaltsamen Tod seines Stiefvaters stehen. In solchen Fällen geht die Einschüchterung meist von einem männlichen Verwandten aus oder von einem Mann, der der Familie nahesteht…«
Bobby lehnte sich zurück und beobachtete weiter.
Ethan saß in einem Büroabteil direkt vor Madisons Zimmer und war mit dem Kopf auf dem Schreibtisch in sich zusammengesunken. Er war den ganzen Tag still und schweigsam gewesen, was sie ihm nicht verübeln konnte. Wieder einmal war sein Leben auf den Kopf gestellt worden, gerade als sie anfing, einen echten Hoffnungsschimmer in seinen Augen zu sehen.
Nicht zum ersten Mal in den letzten Wochen fragte sie sich, ob es ein Fehler gewesen war hierherzukommen. In Philly war es gefährlich gewesen, das schon. Der Zusammenhalt der Straßenbanden und alte Gewohnheiten wären eine ständige Versuchung gewesen. Sie hatte gewusst, wenn sie in der Stadt blieben, wären ein Leben ohne Regeln und die völlige Freiheit vielleicht letztlich doch attraktiver gewesen als das Leben mit ihr, zumal wenn der Reiz des Neuen erst vorbei war.
Aber wäre das wirklich schlimmer gewesen als das, was jetzt passierte? Sie hatte die gewohnten Gefahren, mit denen umzugehen Ethan gelernt hatte, gegen etwas eingetauscht, das ihnen völlig fremd war.
In ihrer Naivität hatte sie geglaubt, in einer gemächlichen Kleinstadt wäre es für einen Teenager leichter, sich ein neues Leben aufzubauen. Aber eine Kleinstadt brachte Komplikationen mit sich, wie sie es sich nie hätte träumen lassen. Vielleicht hätte sie lieber einen größeren Ort wählen sollen, wo man leichter einen Neuanfang machen konnte, ohne dass einem der ganze alte Müll mit dem nächsten Zug nachgereist kam.
Natürlich hätte es auch sein können, dass der alte Müll im Zug geblieben und weitergereist wäre, wenn diese Tragödie mit McPherson nicht passiert wäre. Alles wäre so viel einfacher, wenn sie auf ihren Bauch gehört und Ethan diesen Campingausflug nicht erlaubt hätte.
Sie betrachtete ihn durch die offene Tür hindurch–die erschöpfte krumme Haltung, das nervöse Wackeln mit den Knien. Er wurde von widersprüchlichsten Gefühlen und rastloser Energie gequält. Und sie fühlte sich völlig unfähig, ihm zu helfen.
Er hatte nicht mit ihr zur Arbeit kommen wollen, aber unter keinen Umständen hätte sie ihn allein zu Hause gelassen. Nicht bei all diesen drohenden Gefahren.
Hier direkt unter ihrer Nase und in Gesellschaft ihrer Mitarbeiterinnen mochte er sich vielleicht zu Tode langweilen, aber zumindest war er in Sicherheit. Um zehn war er bereits mit seinen Hausaufgaben fertig gewesen. Als er gefragt hatte, ob er einen Spaziergang durch die Stadt machen könne, hätte sie ihm beinahe den Kopf abgerissen. Sie wollte ihn keine Minute aus den Augen lassen, jedenfalls nicht, bis der Mörder gefasst war.
Es war erst Mittwoch, sein erster ganzer Tag ohne Schule. Wie sollten sie bloß den Rest der Woche rumbringen? Vielleicht würde ihr irgendetwas einfallen, womit er sich hier im Büro ein paar Tage lang beschäftigen konnte.
Als ihr Handy klingelte, sah sie, dass es fast fünf Uhr war. Sie hatte schon länger dagesessen und Ethan angestarrt, als ihr bewusst gewesen war.
Sie nahm das Gespräch an und riss sich von ihren Grübeleien los. Doch als sie hörte, wer dran war, kehrten ihre Gedanken mit einem Schlag wieder zu ihrem Sohn zurück.
Madison beendete das Gespräch. Alles in ihr vibrierte vor Aufregung. Ihr Privatdetektiv hatte ihr
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