Pitch Black
gönnte sich ein paar ruhige Minuten, bevor er sich daranmachte, die Leute zurückzurufen, die ihm eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatten. Zwei waren von Bobby Gray und eine vom Staatsanwalt. Glücklicherweise war es zu spät, um den Staatsanwalt zurückzurufen. Hätte es etwas wirklich Wichtiges gegeben, hätte man Gabe vom Polizeirevier aus angefunkt.
Bobby Grays zweifacher Anruf konnte nur bedeuten, dass er wie auf glühenden Kohlen saß. Schuld daran war vermutlich seine Exfrau, und es würde auf die Forderung hinauslaufen, Ethan zu verhaften. Bobby hatte gesagt, sie hätten heute einen Termin mit dem Arzt. Wer weiß, was das alles aufgewühlt hatte? Vermutlich hing damit auch der Anruf des Staatsanwalts zusammen.
Gabe lehnte den Kopf zurück, ließ ihn von einer Seite zur anderen rollen und versuchte, seine Verspannungen zu lösen. Dann rief er Bobby zurück.
Niemand ging an den Apparat.
Gabe war nicht gerade enttäuscht. Er wollte den Abend dazu nutzen, die Informationen zu ordnen, die er über den Anabolika-Dealer gesammelt hatte. Dieser Fall beschäftigte ihn mehr, als aus beruflichen Gründen gerechtfertigt war. Aber Maddie war in Gefahr. Als sie verschwunden und ihr Schicksal völlig ungewiss gewesen war, hatte sich das angefühlt, als hätte ihn ein Schuss in den Bauch getroffen. Er konnte nicht zulassen, dass ihr irgendetwas passierte.
Zu schade, dass Corys Gewissensbisse nicht ausgereicht hatten, um Gabe den Platz der Übergabe zu verraten. Gabe wollte dem Jungen keinen Druck machen, denn Cory hatte recht mit dem, was er gesagt hatte: Es würde ihn in Gefahr bringen.
Gabe schämte sich für die leise Stimme in seinem Kopf, die kurz geflüstert hatte: »Lieber er als Maddie!«
Eine Lösung dieses Falls würde Maddie das Leben in der Stadt deutlich erleichtern. Es würde den Leuten nicht gefallen, aber sie würden zugeben müssen, dass Maddie recht gehabt hatte.
Die Videothek war seine beste Spur zu dem Dealer. Maddie hatte Shelly Mitthoeffer befragt, die dort arbeitete und deren Exfreund vermutlich Anabolika nahm. Das war sein nächstes Ziel.
Gabe stand auf und holte seine Schuhe. Vielleicht gelang ihm, was Maddie nicht hatte erreichen können: Shelly Mitthoeffer zum Reden zu bringen. Maddie hatte dafür nicht die nötigen Mittel. Er schon.
Er brauchte nur einen Zeugen, dann konnte er einen Haftbefehl ausstellen lassen und eine Verhaftung vornehmen.
Und dann wäre Maddie in Sicherheit.
»Ich gehe ins Bett«, sagte Ethan.
Madison sah von ihrem Buch hoch, in dem sie zu lesen versucht hatte, um den Anschein der Normalität zu wahren. Der Stress laugte sie ganz schön aus–Ethan musste er regelrecht auffressen. »Es ist doch erst halb zehn.«
»Na ja…hätte ich auch nicht gedacht, dass es dermaßen müde macht, den ganzen Tag tödlich gelangweilt zu sein.« Er lächelte sie zaghaft an.
Sie streckte die Hand nach ihm aus. »Setz dich doch noch eine Minute zu mir.«
Sie zog die Füße unter den Po und machte ihm so Platz auf dem Sofa. Er schlurfte zu ihr hinüber und setzte sich. Den Ellbogen auf die Armlehne gestützt, kaute er an seinem Daumennagel. Er sah sie nicht an.
»Ich weiß, dass das im Moment alles sehr schwierig für dich ist«, sagte Madison. »Aber ich verspreche dir, das wird wieder. Jordan geht es schon besser. Sobald er erzählen kann, was da oben passiert ist, wird sich jeder auf denjenigen stürzen, der für Mr McPhersons Tod verantwortlich ist. Bis derjenige gefasst ist, bedeutet das für uns beide leider, dass wir vierundzwanzig Stunden am Tag zusammenbleiben.« Sie beugte sich vor und strich ihm das Haar aus den Augen. »Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich freue mich darauf, mehr Zeit mit dir zu verbringen.«
Sie sah seinen Adamsapfel rauf und runter hüpfen, als er schluckte. Sein Blick war starr auf einen Punkt irgendwo in der Luft gerichtet. Er sah so jung und so durch und durch erschöpft aus wie beim ersten Mal, als sie ihn gesehen hatte–an jenem Tag, als er ihr Herz gestohlen hatte.
»Ja, ich auch«, antwortete er, aber seine Stimme klang hohl.
So viel zu ihrem Erzähl-keinen-Scheiß-Pakt. Sie schienen ihn beide nicht zu erfüllen.
Aus eben diesem Grund belog man Menschen, die einem wichtig waren: Manchmal war das die einzige Möglichkeit, die Messerstiche des Lebens abzuwehren, damit sie den Menschen, den man liebte, nicht mitten ins Herz trafen.
»Fein«, sagte sie fröhlich. »Jetzt habe ich dich lange genug mit meinem
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