Pitch Black
vom Hochhaus fällt: Nur der letzte Meter ist gefährlich.«
»Hast du irgendjemanden oben auf der Überführung gesehen?«
»Ich habe gar nicht hochgeschaut. Du weißt doch, wie gefährlich die Kurve ist. Ich weiß inzwischen, dass ich den Blick nicht eine Sekunde von der Straße nehmen darf.« Dann wurde ihr plötzlich klar, was seine Frage bedeutete. »Du glaubst, jemand hat den Stein nach mir geworfen?«
»Der Stein auf deinem Rücksitz stammte nicht aus dem Schotterbett. Und er war größer als ein Football und ziemlich gezackt. Reichlich unwahrscheinlich, dass er einfach mitten auf der Brücke lag und plötzlich runtergefallen ist.«
Gabe rutschte auf seinem Stuhl hin und her. »Wir hatten gelegentlich schon mal Schwierigkeiten mit Jugendlichen, die von Überführungen Steine auf Autos geworfen haben. Aber nicht dort–normalerweise suchen sie sich Stellen mit mehr Verkehr.«
Madison versuchte sich zu erinnern, ob sie vielleicht am Rand ihres Gesichtsfelds dort oben eine Bewegung wahrgenommen hatte. Aber sie hatte sich so auf die Kurve und eventuellen Gegenverkehr konzentriert, dass ihr nichts aufgefallen war.
»Ich kann mich wirklich nicht erinnern, jemanden gesehen zu haben. Aber ich bin in letzter Zeit ganz schön viel Leuten auf den Schlips getreten.«
»Was willst du damit sagen?«
»Sieht so aus, als hätte ich mit meinen Artikeln über Anabolikamissbrauch bei Teenagern in ein Wespennest gestochen. Die Leute empfinden das als persönlichen Angriff auf die hiesige Moral.«
»Und wie äußert sich diese Missbilligung?«
»Nun bin ich aber etwas gekränkt. Liest du denn nicht die Zeitung?«
»In letzter Zeit hatte ich viel zu tun. Was ist passiert?«
»Es kamen ein paar wirklich hässliche Briefe an die Redaktion.«
»Die will ich sehen. War sonst noch was?«
»Nun, Mr Whetzel meinte, mit meinem Reifen wäre alles in Ordnung gewesen. Jemand hat die Luft rausgelassen.«
Gabe sah sie verblüfft an.
»An jenem Abend stand ein Mann im Eingang der Zeitung. Ich habe gedacht, er stellt sich nur vor dem Regen unter…aber vielleicht war er derjenige, der die Luft aus dem Reifen gelassen hat.«
Gabe kniff die Augen zusammen. »Du willst damit sagen, dass jemand bei der Zeitung rumhing, als du als Einzige noch dort warst…und das hast du mir nicht erzählt, als wir uns ein paar Minuten später begegnet sind?«
Sie konnte einfach nicht zugeben, dass sie so verängstigt gewesen war, dass sie den Notruf gewählt hatte. »Wie ich schon sagte–ich nahm an, dass sich jemand vor dem Regen untergestellt hatte.«
Sein Mund war ein dünner Strich. »Nach diesem Abend ist Schluss mit Annahmen.«
Sie nickte. »In Ordnung. Du hast recht. Ich werde vorsichtiger sein.«
»Und sag mir Bescheid, sobald etwas passiert. Briefe, Drohungen, Schatten, ein ungutes Gefühl…«
»Schon verstanden.« Sie kaute am Nagel ihres Daumens. »Weißt du, ich glaube, ich bin einem örtlichen Dealer auf der Spur.«
»Was weißt du?«
»Ich habe mit Julia Patterson über den Anabolikamissbrauch ihres Freunds gesprochen. Erst wollte sie reden, dann hat sie einen Rückzieher gemacht. Jetzt scheint sie völlig verängstigt zu sein. Aber ich habe eine anonyme Mitteilung bekommen, die von ihr stammen muss. Darin heißt es, ich soll Shelly Mitthoeffer fragen, ob ihr Freund auch Anabolika nimmt. Ich habe Shelly bei der Arbeit abgefangen. Sie hat mich abblitzen lassen, aber so schnell gebe ich nicht auf.«
»Also könnten es beleidigte Bürger oder auch ein Dealer sein, die dir den Ärger machen.«
Sie grinste ihn blöde an. »Vielleicht.« Sosehr sie es hasste, plötzlich als Zielscheibe zu dienen, sosehr gefiel ihr die Vorstellung, offensichtlich auf der richtigen Spur zu sein. »Oder«, sagte sie, um realistisch zu bleiben, »es war einfach nur ein Dummejungenstreich.«
»Auch möglich. Sobald es hell wird, gehe ich da rauf und sehe mich um.«
»Ich bin übrigens auf dem Nachhauseweg an deinem Büro vorbeigefahren.« Sie schwieg und lauschte, um sich zu vergewissern, dass Ethan nicht wieder nach unten gekommen war. »Ich bin heute auf Informationen gestoßen, die dich vielleicht interessieren.«
»Worüber?«
»Steve McPhersons erste Frau.«
20
»Nun ja«, sagte Kate am Telefon zu Christie und kam damit endlich zum eigentlichen Anlass ihres Anrufs bei ihrer Cousine. »Über Einzelheiten darf ich nicht reden. Aber da du ja zur Familie gehörst…sagen wir einfach, manche Leute kommen eben als schlechte Menschen auf die
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