Pitch (German Edition)
nächste Fehltritt abzeichnete, dann war sie wieder seine
Rose unter lauter Dornen, dann verglich er ihre Augen wieder mit
denen der Tauben und überhaupt sang er dann wieder das hohe Lied
der Liebe, heute war es wieder soweit, bedrückt, gebeugten
Hauptes war er nach Hause gekommen, erst stand er da und konnte nicht
anders, dann hatte er sich brummend in seinem Arbeitszimmer zu
schaffen gemacht, hinter geschlossener, aber nicht verschlossener
Tür, bis Agnes, weil sie das durchaus richtig zu deuten
verstand, ihm ein paar Schnitten mit Wurst und Käse brachte, die
er ablehnte, auch das ein Ritual, tu’s weg, Agnes, ich mag
nichts essen, es mag nichts rein bei der Schlechtigkeit der Welt,
meist aber verflog die Schlechtigkeit der Welt recht schnell und ein
gesunder Hunger stellte sich ein, so auch jetzt, bald also erzählte
Abbond mit prall gefüllten Backen und krümelig
unverständlichen Worten, wie es ihm ergangen war bei der
werdenden Witwe eines demnächst Sterbenden, dass er sich dafür
habe verhöhnen lassen müssen, weil sie ihrem Mann einen
Fehltritt nicht verzeihen konnte, mit Unbehagen bemerkt Agnes, dass
Abbond sich mit dem Fehltritt des Sterbenden identifiziert und den
seinen gerne verziehen wissen will, sie fragt sich, von wem, von
Gott, oder von ihr, und sie muss an ihre Reise nach Holland denken,
Jahre ist das her und gefahren war sie allein, ohne den Pfarrer, der
durchaus Grund gehabt hätte, sie zu begleiten, weil er nämlich
sein Scherflein zu dieser Reise beigetragen hatte, überlegt
hatte sie sich damals, ob sie weiterhin ihren Dienst im Pfarrhaus
leisten oder sich etwas anderes suchen sollte, mit Widerwillen hatte
sie jenen Predigten entgegen gesehen, in denen er mit donnernden
Worten für den Schutz ungeborenen Lebens eintrat, und
tatsächlich hatte er diese Predigten dann auch gehalten,
angeekelt war sie gewesen, aber auch leid getan hatte er ihr, dieser
Heuchler, zurückgekehrt war sie zuletzt dann trotzdem zu ihm,
auch um das Gerede zu vermeiden, und bald war alles wieder so
gewesen, wie vor ihrem, nun, Urlaub, mochte sie es nicht nennen,
obwohl das nach außen hin die Erklärung gewesen war für
die paar Tage ihrer Abwesenheit, danach hatten sie besser aufgepasst,
und nun, nach all den Jahren, war auch diese Vorsicht nicht mehr
nötig, zu alt sind sie inzwischen, heute Abend, sie weiß
es, wird er wieder wie ein kleiner Junge ihren Trost brauchen und
seinen Kopf in ihrem Busen vergraben, er wird die Madonna anrufen und
dann, in den kommenden Tagen, wird er sie wieder mit aller Schärfe
spüren lassen, dass sie gesündigt haben, sie noch etwas
mehr als er, der Erbsünde der ewigen Eva wegen, und er wird mal
wieder zum Ausdruck bringen, durch fromme Sprüche und durch
Gleichnisse, dass es so einfach nicht weitergehen könne, und
weil sie weiß, dass dies unweigerl ich so kommen wird, erinnert
sie ihn, der immer noch mit dem Hohn Gertrud Keisers hadert, daran,
dass da keiner ohne Schuld ist.
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Omas
Mann, …
… den
Robert gern hat, ist schwer krank, hat Papa gesagt, Robert Carlos,
hat er gesagt, Carlos ist sein Zweitname, denn Karl müssen alle
Männer in der Familie heißen, in irgendeiner Form, in
irgendeiner Sprache, wegen der Tradition, der Linie wegen ,
die erhalten werden muss, selbst seine Tante, Papas Schwester, heißt
Karla, also, Robert Carlos, hat Papa gesagt, Opa ist schwer krank,
kann sein, dass er bald beim lieben Gott sein wird, er hat ihn von
dem Kindergarten abgeholt und mitgenommen, eher aus dem Bedürfnis
heraus, den kindlichen Beistand seines Sohnes an seiner Seite zu
wissen, als aus dem Vorsatz heraus, dem Jungen tatsächlich den
kranken Großvater noch einmal zu zeigen, Mama, hat Papa gesagt,
wird das schon begreifen, aber Robert Carlos, el infante , wie
ihn Mama oft scherzhaft nennt, versteht in letzter Zeit nur sehr
selten etwas so, wie Papa es meint, also haben sich die beiden dann
auch am Telefon gestritten, als er bei ihr angerufen hat, sie
streiten sich ja nur noch, seit Papa ausgezogen ist, aber Papa darf
bald wieder einziehen, sagt Mama, dann nämlich, wenn sie beide,
Mama und er, der kleine Roberto, wieder in Spanien sind, dem einzigen
Land, in der man wirklich leben kann, in Andalusien, weil es da warm
ist, anders als hier, wo es selbst im Sommer bei über dreißig
Grad noch immer kalt ist, madre mia , warum hat sie das erst so
spät begreifen müssen, warum hat sie diesen Pendejo heiraten müssen, diesen Idioten, um zu merken, dass er
nichts taugt, weil er
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