Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
Kapitänleutnants verstanden hatte. »Jetzt red schon, dann hast du’s überstanden.«
»Ich …«
»Zwinge mich nicht, bis fünf zu zählen.«
Der Wachleiter hob sein rotes, verquollenes Gesicht. »Einer hat gesagt«, sagte er schluchzend, »dass sie es heute noch bis zur Majak schaffen müssten. Das habe ich gehört.«
Sasonow atmete durch und ließ den Revolver sinken.
Endlich. Mann, das hat gedauert. Ein edles Stück, so ein Python. Und mit dem gummierten Griff liegt er gut in der Hand.
»Zur Majak . Du meinst, zur Majakowskaja «, präzisierte Sasonow, obwohl das eigentlich überflüssig war. »Es waren also Moskowiter?«
»Ja.«
»Ganz sicher?«
»Ja!«
»Verstehst du jetzt?«, fragte Sasonow den Kapitänleutnant, der noch einen Augenblick zögerte und dann die Waffe sinken ließ.
»Absolut.« Kmiziz blickte sich um. »Ich muss telefonieren. Befehlen Sie Ihrem Untergebenen, dass er nicht mehr auf diese Leute zielen soll. Und diesen …« Er verzog angewidert das Gesicht. »Dieses korrupte Schwein wird verhaftet. Wir werden versuchen, die Diebe an der Gostinka abzufangen.«
»Meinst du, das klappt?«
Kmiziz zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Wir werden es versuchen.«
»So sieht’s aus«, beendete Sasonow seinen Bericht und ging zum Tisch hinüber. Er sah erschöpft aus, sogar seine Wangen waren ein wenig eingefallen. »Und wer ist das?« Er wies mit dem Kopf auf den mit der Plane abgedeckten Leichnam.
»Jefiminjuk«, antwortete Iwan. »Kannst du mir eines sagen: Wozu brauchen die Moskowiter unseren Generator?«
Sasonow hob die Schultern. »Keine Ahnung, Wanja. Vielleicht haben sie Probleme mit ihrer Zentralbeleuchtung?«
Iwan nickte. Logisch. Als Arbeitshypothese taugte diese Erklärung.
»Und was schlägst du vor? Sollen wir gegen die Ploschtschad Wosstanija einen Krieg anfangen?«
»Ja«, erwiderte Sasonow. »Und für den Anfang die Majak erobern. Wenn wir uns beeilen, schaffen wir das bis morgen früh.«
»Stimmt«, pflichtete Iwan bei.
Die im Jahre 1955 eröffnete Station Ploschtschad Wosstanija war eine der ältesten der Sankt Petersburger Metro und wurde noch im prunkvoll-monumentalen Empire-Stil der Stalinzeit erbaut. Damals sparte man bei der Ausgestaltung der Stationen weder an Geld noch an Material. Für den Fall eines Atomkriegs hatte man der Station eine zentrale Rolle zugedacht. Aus diesem Grund befanden sich dort in den Tunneln alle zweihundert Meter Toiletten, Entwässerungsstationen und Belüftungsanlagen. Außerdem jede Menge Geheimgänge sowie zivile und militärische Bunker. In puncto Kompliziertheit konnte es das Labyrinth der Ploschtschad Wosstanija locker mit einer Moskauer Metrostation aufnehmen – und das musste man erst einmal schaffen.
Im Allgemeinen waren die Sankt Petersburger Metrostationen relativ schlicht, ja sogar ein wenig eintönig gehalten – der instabile, moorige Untergrund und andere Tücken machten den Metrobau schon aufwendig genug. Vor diesem Hintergrund zeichnete sich die Ploschtschad Wosstanija durch eine beinahe Moskauer, wenn nicht gar asiatische Raffiniertheit aus.
Von daher war es kein Zufall, dass sich ausgerechnet dort eine große Fraktion aus Moskau niedergelassen hatte. Dahinter steckte ein höherer Sinn.
»Wollt ihr nicht gleich noch das Imperium der Veganer unterwerfen?«, erkundigte sich Postyschew bissig. »Ich sehe es förmlich vor mir, wie ihr das macht. Zu zweit. Die Herren Oberkrieger, verdammt.«
»Aber darum geht es doch, Kommandant«, rechtfertigte sich Sasonow. »Wir würden nie allein mit denen fertigwerden.«
»Und?« Postyschew blies die Backen auf. »Was schlägst du vor?«
Sasonow blickte in die Runde: »Wir müssen die Allianz einschalten.«
Schweigen.
»Na toll«, kommentierte Postyschew schließlich. »Schöner Schlamassel.«
Die Primorski-Allianz umfasste ursprünglich sechs Stationen: Primorskaja , Wassileostrowskaja , die beiden Stationen der Admiraltejskaja sowie Gostiny dwor und Newski prospekt . Seit der Aufgabe der Primorskaja waren es nur noch fünf. Und die Gewichte verschoben sich. Die Bewohner der Primorskaja mussten sich eine neue Bleibe suchen und ließen sich größtenteils an der Admiraltejskaja nieder, nicht zuletzt, weil man sie dort mit besonderen Anreizen köderte. Natürlich zogen einige auch zur Wassileostrowskaja um, doch das waren die wenigsten: Wer wohnte schon gern an einer ärmlichen, beengten Station, an der es nicht einmal sicheren Schutz vor Ungeheuern gab?
Schon damals
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