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Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter

Titel: Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schimun Wrotschek
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schüttelte verständnislos den Kopf. »Die haben sofort Nachschub produziert. Das geht doch ratzfatz. Weiber bleiben Weiber, wenn man sie lässt. Die haben ihr demografisches Programm in einer Nacht abgespult. Die Sprösslinge dürften inzwischen auch schon wieder um die zwanzig sein.«
    Verabschiedung der Kämpfer.
    Zuerst sollte es eine Hochzeit werden, dann ein Krieg. Zuletzt beschloss man, das Ganze zu verbinden.
    »Also«, begann Postyschew und ließ den Blick über die Versammelten schweifen, »falls jemand noch nicht auf dem Laufenden sein sollte: Wir werden Krieg führen gegen die Station Ploschtschad Wosstanija , also gegen die Moskowiter. Die Gründe sind euch bekannt: Mord, Diebstahl, Grenzverletzung. Alle Stationen der Allianz werden Truppen abstellen. Aber die Hauptlast liegt natürlich auf unseren Schultern. Das ist unser Kreuz und wir werden es tragen.«
    Kämpferisches Geraune in der Menge.
    Postyschew warf einen Blick zu Iwan, schloss kurz die Augen und wandte sich wieder den Versammelten zu. Er seufzte. »Ich hoffe, dass unser Dieselgenerator bald wieder an seinem Platz stehen wird. Ich baue auf euch, Männer. Lasst uns nicht im Stich. Maestro, den Marsch!«
    Solocha drückte auf den Knopf und aus den Lautsprechern einer alten japanischen Stereoanlage erklang muntere Marschmusik, wenn auch etwas scheppernd in den Höhen:
    Hab acht, Bourgeois, es kommt zum letzten Kampf!
    Die verarmte Klasse erhebt sich gegen dich …
    Die Klänge fluteten über den Bahnsteig und eine forsche Stimme versprach der Liebsten das Blaue vom Himmel herunter:
    Ist schon gut, ist schon gut, ist schon gut,
    Säbel, Kugeln, Bajonette – hin oder her.
    Liebste, wart auf mich, ich bitte dich,
    und ich komm zurück zu …
    Ein Knall. Und ein blauer Funke. Die Musik brach ab. Die finsteren Kämpfer der Wassileostrowskaja marschierten an der verstummten Stereoanlage vorbei, stiegen aufs Gleis hinab und verschwanden im Schlund des Tunnels. Es roch nach durchgeschmorten Kabeln.
    Iwan betrachtete die Menge, die sich zum Abschied versammelt hatte: Frauen, Kinder und Greise, die schon zu alt waren, um eine Waffe zu tragen. Viele weinten. Fast alle Männer verließen die Station. Sogar Professor Wodjanik zog in den Krieg. Zurück blieben Onkel Jewpat – der wäre nicht weit gekommen mit seinem kaputten Bein – und Postyschew, denn der Kommandant wurde an der Station gebraucht.
    Iwan sah sich um.
    Schwermütige Stimmung. So kann man sich doch nicht verabschieden. Beim Abschied muss man fröhlich sein.
    »Hey, Jegor«, raunte Iwan Gladyschew zu. »Sing was!«
    »Was denn?«
    »Unseres.«
    Gladyschew verstand sofort und bleckte sein verfaultes Gebiss zu einem breiten Grinsen. Dann grölte er los:
    Wenn ich betrunken bin, stopp ich einen Wagen,
    fahr mich nach Hause, Chef, den Weg kann ich dir sagen.
    Der Funke sprang sofort über, und in den Refrain stimmten alle anderen ein:
    WeWeWe, Leningrad! EsPeBe, Punkt ru!
    WeWeWe, Leningrad! EsPeBe …
    Iwan blieb stehen und leuchtete mit seiner Lampe umher. Pascha wandte sich nach ihm um und sah ihn fragend an.
    »Geh weiter«, sagte Iwan. »Ich komme nach.«
    Was die Bewohner der Wassileostrowskaja Rohrbaum oder Baum der Wünsche nannten, war in Wirklichkeit ein rostiges Rohrknäuel, das sich aufgrund der Feuchtigkeit von der Wand gelöst hatte und nun bedrohlich in den Durchgang ragte. Es hatte tatsächlich eine frappierende Ähnlichkeit mit einem Baum. Ein bizarres Gebilde.
    An jedem »Ast« und jedem »Zweig« des Rohrbaums hingen weiße und rote Bänder wie tibetische Gebetsfahnen. Sie flatterten im Luftzug des Tunnels und bei jedem stärkeren Windstoß knarzte das rostige Metall.
    Um sich einen Wunsch zu erfüllen, musste man nachts hierherkommen, sich etwas wünschen und ein farbiges Band aufhängen. Das besagte ein Volksglaube der Wassileostrowskaja .
    Wichtig war nur: Man musste es sich wirklich leidenschaftlich und aus tiefster Seele wünschen.
    Dann würde der Herr der Tunnel diesen Wunsch erfüllen.
    Wenn er denn Lust dazu hatte.
    Ob Tanja hier gewesen war? Iwan schüttelte den Kopf.
    Das geht dich nichts an, Odysseus.
    Odysseus und Penelope – dieses Spielchen hatte er mit Katja gespielt, ganz am Anfang ihrer Beziehung. Seltsam. Er hatte sie Penelope genannt, aber nicht sie, sondern eine andere würde nun auf ihn warten.
    Du bist ein Dummkopf, Odysseus. Katja hat schon recht.
    Eine feuchte Böe blies durch den Tunnel. Die bunten Bänder am Baum der Wünsche flatterten raschelnd

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