Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
Blicke. Der Wachleiter streckte die Hand nach seinem Revolver aus.
»Und da ist noch was«, sagte Sasonow bedächtig, der immer noch den fremden Revolver in Händen hielt. »Wollte ich gerade fragen …«
»Die Kommunisten waren es nicht, aber vielleicht kriegt Sasonow was raus«, sagte Wodjanik.
»Stimmt, die Kommunisten waren es nicht«, wiederholte eine andere Stimme, die Iwan ebenfalls bestens kannte. »Es waren die Moskowiter.«
Iwan fuhr herum. Am Eingang zum Maschinenraum stand ein groß gewachsener, breitschultriger Mann mit wohlproportionierten Gesichtszügen, schmaler Nase und eisgrauen Augen. Sein langer Mantel war schmutzig und so zerrissen, als hätte jemand versucht, ihn aus diesem herauszuprügeln. Um seine Schulter hing ein Riemen mit einem Halfter, aus dem der Griff eines Revolvers ragte.
»Wenn man vom Teufel spricht«, sagte Iwan. Der Mann verzog den Mund zu seinem gewohnten, etwas schiefen Lächeln. »Hallo Sasonow! Willkommen zurück.«
Wadim Sasonow entstammte dem »Stationsadel«. So nannte man scherzhaft die Leute, die seinerzeit als Bauarbeiter und Angestellte bei der Metro beschäftigt gewesen waren. An der Station bildeten sie (zusammen mit den Milizionären) die Elite, die herrschende Klasse. Als Sohn eines Zugführers war Sasonow eine steile Karriere quasi in die Wiege gelegt. Vom Brigadier bei der Tunnelinstandhaltung hatte er es bis zum Assistenten des Kommandanten gebracht. Nicht viel hätte gefehlt, und er wäre mit knapp dreißig Jahren selbst zum Kommandanten aufgestiegen.
Doch Sasonow vollzog eine Kehrtwende – er wollte unbedingt zur Einheit der Aufklärer. Man versuchte ihn davon abzubringen, doch er blieb stur. Anfangs war Kossolapy gegenüber dem Neuling ziemlich skeptisch, zog ihn ständig auf und versuchte seine Schwächen auszuloten. Kein Wunder, als Blaublüter galt Sasonow schließlich als Snob und Emporkömmling. Und so einer wollte zu den Diggern? Ein Unding! Doch nach einer Expedition ins Warenhaus Andrejewski, bei der der Neuling den Rückzug des Trupps gedeckt und kaltblütig einen Pawlow’schen Hund nach dem anderen abgeknallt hatte, gab sich sogar Kossolapy geschlagen, und Sasonow wurde als gleichwertiges Mitglied der Einheit akzeptiert.
So kam es, dass aus ihm weder ein Stationsfunktionär noch ein Milizionär, sondern ein eingefleischter Digger geworden war.
Eine Abreibung bekommt er trotzdem von mir, dachte Iwan. Auf Diggerart …
»Was gibt’s Neues?«, erkundigte sich Postyschew mit mürrischem Blick.
»Leider nichts Erfreuliches, Gleb Semjonytsch«, antwortete Sasonow. »Wir haben die Tunnel durchkämmt. Keinerlei Spuren, niemand hat irgendwas gesehen. Selbst in den Lüftungsschächten und Entwässerungsstationen – überall Fehlanzeige. Wir sind bis zum Kontrollposten der Admiraltejskaja vorgerückt. Die Admiralzen schwören Stein und Bein, dass sie niemanden gesehen haben. Tja – beschissene Nachrichten.«
»Was ist mit Karawanen?«
Sasonow schüttelte den Kopf. »Karawanen gab es schon länger keine mehr, das wissen Sie ja. Höchstens dass sie durch einen Kanalisationsschacht durchgeschlüpft sind, aber das glaube ich nicht. Ein Dieselgenerator ist ganz schön sperrig, den kann man schließlich nicht in der Hosentasche abtransportieren.«
»Verstehe. Wie haben sie das bloß hingekriegt? Das würde ich zu gern wissen. Na, die Herren Digger, keine Ideen?« Postyschew seufzte und stand auf. »Schöne Pleite. Moment mal …« Er besann sich plötzlich. »Du hattest doch von den Moskowitern gesprochen? Woher weißt du das?«
»Ich war ja auch noch nicht fertig, Chef«, erwiderte Sasonow mit einem triumphierenden Grinsen.
»Dann lass hören!«
»Eine Frage noch …« Sasonow fasste dem Wachleiter des Postens an den Kragen. Ganz behutsam, als wollte er ihn zurechtrücken.
Dann packte er plötzlich zu und zog den Mann zu sich heran. Der verdutzte Anführer der Admiralzen erblasste. Sasonow trat mit dem Fuß gegen den Spirituskocher. Der Wasserkessel fiel scheppernd herab und das kochende Wasser ergoss sich zischend über den Boden. Die Admiralzen schrien auf.
»Wo?!«
»Was wo?« Der Wachleiter versuchte sich loszureißen und griff reflexartig an seinen Gürtel. In seiner Verwirrung dachte er nicht daran, dass er seine Waffe hergegeben hatte.
»Wo sind deine dreißig Silberlinge?!«, brüllte Sasonow ihm ins Gesicht. »Los, du Schwein, leere deine Taschen aus!«
»Was soll das? Was willst du?«
»Deine Taschen sollst du ausleeren!«
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