Piter - Wrotschek, S: Piter - Metro-Universum: Piter
hatte man darüber nachgedacht, die hermetischen Sperren im Tunnel zwischen der Wassileostrowskaja und der Primorskaja zu schließen, und letzten Endes tat man das auch. Bei seinem letzten Streifzug hatte Iwan das hermetische Tor durch eine spezielle Seitentür umgangen.
»Also Folgendes, Iwan«, sagte Postyschew leise. »Deine Hochzeit müssen wir vorläufig verschieben. Tut mir leid. Aber du weißt ja selbst, in welchen Zeiten wir leben.«
Iwans Wange zuckte leicht. Tanja. Er schwieg und nickte.
»Haben wir uns verstanden?«
»Ja, sicher«, erwiderte Iwan. »Der Generator geht vor.«
»Und noch etwas«, fügte Postyschew hinzu. »Die Telefonverbindung ist wiederhergestellt. Übrigens war die Leitung durchgeschnitten, falls es jemanden interessiert.« Postyschew wurde laut: »Interessiert das jemanden?!«
Sasonow und Pascha verstummten betreten. Schwätzer.
»Also, Jungs …« Der Kommandant beugte seinen mächtigen Oberkörper über den Tisch. »Dann hört mir mal gut zu.«
Nachdenkliche Gesichter bei Pascha und Sasonow.
»Ich habe mit der Admiraltejskaja telefoniert. Die Admiralzen werden jemanden herschicken, um das gemeinsame Vorgehen zu koordinieren. Und während der hierher unterwegs ist … Nein, stopp, anders: Während wir hier mit ihrem Gesandten verhandeln, müsst ihr schon im Anmarsch auf die Majakowskaja und die Wosstanija sein. Ist das klar?«
»Ja«, antwortete Iwan für alle.
»Gut. Ihr habt drei Stunden zur Vorbereitung. Und zusätzlich eine halbe Stunde zur Verabschiedung. Abmarsch, die Zeit läuft.«
Während sie zu Iwans Zelt gingen, hatte Tanja kein Wort gesprochen.
»Du hast dich also entschieden?«
Iwan sah sie an und sein Blick bedeutete ihr: »Ja.«
»Warum sagst du nichts?«
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Es war mehr als verständlich, dass die jüngsten Ereignisse Tanja zu Herzen gingen. Sie hatte sich schon beinahe als Ehefrau gefühlt und nun war sie wieder verlobt. Für wie lange? Das wusste niemand. Bis Iwan aus diesem Krieg zurückkehren würde, konnte viel Zeit vergehen. Für manchen eine Ewigkeit. Ganz zu schweigen davon, dass man froh sein musste, wenn er überhaupt zurückkam.
Ob Tanja zum Rohrbaum gegangen war? Iwan blinzelte.
Sie gehen doch alle hin.
Der Herr der Tunnel.
»Gut, wie du meinst. Ich habe mehr als genug zu tun«, verkündete Tanja, machte auf dem Absatz kehrt und ging über den Bahnsteig davon.
Iwan schaute ihr nach. War sie jetzt beleidigt?
Er schlüpfte in sein Zelt. Es blieb nicht viel Zeit. Zusammenpacken und noch zwei Stunden schlafen. Das war’s. Iwan setzte sich aufs Bett, lehnte den Oberkörper aufs Kissen zurück, schloss die Augen und legte die Hände unter den Kopf. Dann riss er die Augen wieder auf.
Nein, das war’s noch nicht.
Hinter seinem Rücken schnurrte ein Reißverschluss und die Zeltwand raschelte. Sie war also doch zurückgekommen. Hatte es nicht ausgehalten.
»Du brauchst mir nicht beim Packen zu helfen«, sagte Iwan, ohne sich umzudrehen. »Das mache ich lieber selbst.«
»Wanja«, sagte sie mit beinahe weihevollem Unterton.
»Was ist?« Iwan richtete sich auf und drehte sich nach ihr um.
In diesem Augenblick stürzte der ganze vergangene Tag auf ihn nieder. Zum Henker mit diesem Tag! Und mit dem ganzen vergangenen Jahr.
Tanja, Tanja, was tust du da? Ich glaube nicht an Vorzeichen.
»Wozu?« Iwan brachte nicht mehr als diese dürre Frage heraus.
Vor ihm stand Tanja in einem schulterfreien, schneeweißen Hochzeitskleid. Sie war unfassbar schön. Das Haar hatte sie zu einer hohen Frisur aufgesteckt, und eine Strähne, die sich gelöst hatte, fiel anmutig auf ihre Schulter herab.
Die Braut.
Warum nur,Marjuschka, hast du dich nicht in den Fluss gestürzt …
»Wozu?«
Sie trat näher und blieb unmittelbar vor ihm stehen. Iwan fröstelte auf einmal und seine Knie wurden weich. Die schweigsame Tanja. Die zielstrebige Tanja. Die genau weiß, was sie will.
»Wozu?«, wiederholte Iwan. »Verdammt!«
»Das musste sein«, erwiderte Tanja.
Sie nahm seine Hand und legte sie auf ihre Taille. Unter seinen Fingern spürte Iwan das Muster des Stoffs. Und die Wärme des weiblichen Körpers.
»Du hast eiskalte Hände«, sagte er.
Am Wartungsstützpunkt brannte nur ein einziges Licht. Iwan ging zielstrebig darauf zu. Seinen Weg säumten Berge von Säcken mit versteinertem Zement, leere Kabeltrommeln, haufenweise Bauschutt und rostige Stahlstangen, die aus Betonteilen ragten.
»Nur alte Männer ziehen in den
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