Pixity - Stadt der Unsichtbaren

wie sie Bentner und seinen Lockvögeln tagtäglich begegneten, wenn er Jana durch die nicht sehr bevölkerten Säle des »E-Learning« bewegte. Alinas ehrgeiziges pädagogisches Projekt hatte sich zu einem Ort des Scheiterns entwickelt, kaum noch jemand, der Pixity zu Bildungszwecken besuchte, einige versprengte Kids ausgenommen.
    »Sie folgen ihren Hormonen«, pflegte Sarkovy zu kommentieren, und der böse Blick, den ihm Alina dann zuwarf, war längst nur noch ein Running Gag, ein leeres Ritual. »Wer sich vom Unterleib leiten lässt, hat den Kopf ausgeschaltet«, sprach die Pädagogin und betrachtete sich die Spitzen ihrer Stiefel aus australischem Känguruhleder, während Weidenfeld, ganz Buchhalter, die Bilanz zog, die Wissbegierde zwischen den Beinen sei größer als die zwischen den Ohren und dem müsse Rechnung getragen werden.
    Es war der nächste Tag, an dem aus Anna etwas anderes wurde. Ein Fragezeichen zunächst, ein Text, aus dem Bentner keine Gleichung mehr zu extrahieren vermochte.
    Er hatte Rick losgeschickt. Ließ ihn die Parks, die Kegelbahn, die Pizzeria und die Jugendclubs von Pixity inspizieren, ein sehr cooler Boy in sündhaft teuren Klamotten, einer schwarzen Designerjeans, auf der überdimensioniert der Markenname prangte, die geilen Slipper mit dem auffallenden Signet. Und erst die Glitzerjacke! 20 PD! Und sah man sich Ricks Profil an, lernte man einen sehr vermögenden – oder einfach nur sehr blöden – Jungen kennen, der sich per Handy jede Menge Pixity-Währung geordert hatte, vielleicht 100 PD für 30 reale Euro, vielleicht mehr.
    Rick setzte sich ins Eiscafé und bestellte den Superspezial-Becher, exklusiv für Clubmitglieder, die sich den monatlichen Beitrag von 5 PD leisten konnten.
    mona-lisa-supi: uh spendierst mir auch eins?
    Sie versprach Rick auch, ihn zu einer geilen Party in ihrem Raum mitzunehmen, »hab mir supi himmelbett mit herzis drauf gekauft ey!« Und war nun leider völlig pleite.
    Das passte Rick gerade nicht in den Kram, denn eigentlich suchte er biene123 und caro_suueess, zwei Fakes, die sich vor kurzem zusammengetan hatten, um kleine Mädchen, die glaubten lesbisch zu sein, in andere Chats zu locken, von denen aus man Bilder tauschen und sich vor Webcams zeigen konnte. Wahrscheinlich wussten beide nicht einmal, dass ihr Komplize auch ein Fake war. Oder sie vermuteten es, ergriffen aber dankbar die Gelegenheit, noch effektiver auf Mädchenjagd zu gehen.
    Jedes Mädchen, das in die Fänge der beiden geriet, war schon verloren. Zwei erwachsene Kerle nahmen sie in die Zange, »ey, wir lieben uns so! haben uns auch schon getroffen, war geil, haben uns geleckt wie wild. Bist grad wuschig? Was machst? Was hast an? Ich hab Fingerchen im Spältchen ey! Geiiiiiiiiil! Uh hab nur so kleine titties! Du auch! Mach ma cam an und heb shirt hoch dass ich seh ob die kleiner sind als meine!«
    Bentner hatte das Duo nicht auf der Stelle aus Pixity verbannt. Er wollte ihre Technik, kleine Mädchen aufs Kreuz zu legen, genau studieren, ihre ausgefeilte Meisterschaft, Vertrauen aufzubauen. Doch biene123 und caro_suueess erschienen an diesem Tag nicht in Pixity und so folgte Bentners Rick Mona Lisa in ihren Raum.
    13 sei sie, sagte Mona, und leider hätten ihre Ellis ihr Handy mit einem Gebührenlimit versehen, »die sind so gestört mann!«, 20 € im Monat, dann streikte das Ding.
    mona-lisa-supi: schenkst mir paar pds? Oder leihen wenigstens? bist sooooooo süss!
    Rickboy_16: ey kenn dich ja nich!
    mona-lisa-supi: aber bist echt suess! uh echt ja!
    Rickboy_16: vll bist fake!
    mona-lisa-supi: ey neeeeeeee!
    Rickboy_16: weiss man aber nich!
    mona-lisa-supi: hast icq?
    Rickboy_16: yep.
    mona-lisa-supi: gib ma nummer. adde dich dann.
    Rickboy_16: Und dann?
    mona-lisa-supi: schick ich dir pic von mir.
    Rickboy_16: was für pic?
    mona-lisa-supi:erst ma nur so eins. Wennst mir noch 10 pd überweist auch n nackiges.
    Bentner kickte Mona aus Pixity. Sofort verschwand die Figur und Rick stand allein zwischen dem Himmelbett und dem modernen Glastisch, den kitschigen Pflanzen und dem gemieteten Haushund (3 PD im Monat), der ziellos durch den Raum lief und am Boden schnüffelte.
    Plötzlich war sie da, wieder aus dem Nichts. Sie stand in der Tür, ein kleines regloses Mädchen, das schließlich seinen Blick dem kleinen Jungen zuwandte, der sich soeben anschickte, den für immer verwaisten Raum zu verlassen.
    Anna_lieb_dich: mona nich hier?
    Rickboy_16: nö
    Anna_lieb_dich: hm. und warum