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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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auf den Kussmund legte, sein Gegenüber fixierte, ihm immer direkt in die Augen blickte, dabei sachte mit dem Oberkörper vor und zurück wippte. Seine Sätze waren klar, keine Schachtelsätze, nichts, was erst mühsam verstanden werden musste.
    »Tja«, sagte er nun, »so ist die Lage.« Bentner wusste nicht, wie die Lage war, aber er glaubte Sarkovy. »Wenn du das sagst.« Sarkovy lächelte. »Du trauerst genauso wenig um Claus wie ich. Alina trauert. Aber keine Ahnung um was.«
    »Hm«, sagte Bentner. »Hatte Claus Verwandte?«
    »Glaub nicht«, sagte Sarkovy. »Bleibt alles an uns hängen. Die ganzen Formalitäten, die Beerdigung, alles eben. Aber geht in Ordnung.«
    »Und was ist passiert? Weißt du Näheres?«
    »Was soll ich schon wissen. Die einen sagen erschossen, die anderen sagen erstochen. Jedenfalls kein natürlicher Tod. Warten wir, was die Polizei sagt.«
    Die Polizei bestand aus zwei Männern zwischen 40 und 50. Sie hatten Ausweise, sie hatten Namen, doch Bentner vergaß sie sofort wieder. Sie sagten nicht viel. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen sei von einer Gewalttat auszugehen, Stichverletzungen, alles andere müsse geklärt werden. Todeszeitpunkt zwischen 22 und 0 Uhr gestern.
    »Wie waren die Familienverhältnisse von Herrn Weidenfeld? Eine Freundin? Besonderheiten in letzter Zeit? Wann zum letzten Mal gesehen? Welchen Eindruck hatten Sie von ihm? Was produzieren Sie in Ihrer Firma eigentlich?«
    Fragen, zwischen denen Sarkovy gefällige Antworten gab und Bentner zumeist nur mit den Schultern zuckte. Ja, Weidenfeld sei mit Frau Marschall liiert gewesen, vorbei das Ganze, mehr wisse man nicht. Nein, keine besonderen Vorkommnisse. Oder, Nils? Bentner schüttelte den Kopf. Gestern habe sich Weidenfeld wie gewöhnlich bis kurz vor sechs im Büro aufgehalten, alles wie immer. Heute dann die Konferenz, zu der er nicht erschienen sei. Und was man produziere?
    Jetzt war Sarkovy in seinem Verkäuferelement. Die beiden Beamten sahen nicht aus wie Computerfreaks, obwohl das natürlich täuschen konnte. Der Schalter in Sarkovys Kopf wurde dennoch gnadenlos umgelegt und jene Kurzdefinition abgerufen, mit der man einst schon ein leibhaftiges Bundesministerium vom Nutzen des Projektes hatte überzeugen können. Pixity, die virtuelle, vollkommen multimediale Stadt, in der sich Lernspielanwendungen und Kommunikation wie von einer Klammer gehalten ergänzten, ja, eins waren, Pixity, wo du nicht etwas in eine Textbox tippst, sondern eine Figur bist, die laufen kann und sitzen und lächeln und manchmal auch liegen. Ob er denn einmal demonstrieren solle – oder besser Herr Bentner, dem man die Technik verdanke?
    Die Herren bedankten sich und verwiesen auf später. Morgen würden sie wiederkommen, alle Angestellten befragen wollen, jetzt sei lediglich noch das Büro des Toten zu versiegeln.
    »Tja«, sagte Sarkovy, nachdem sie gegangen waren, »das also war mein erstes polizeiliches Verhör.«
    »Vernehmung«, korrigierte Bentner, »oder noch nicht mal das.«
    »Hm. Ja. Wie du meinst. Komm wir gehen auf einen Schluck ins   Taco’s .«
    Bentner konnte nicht ablehnen.
    Um diese Zeit war das   Taco’s   ein Asyl für frustrierte Angestellte, späte Mädchen und noch spätere Jungs, auch für von turbulenten Weihnachtseinkäufen erschöpfte Frischverheiratete, die ihre erste Ehekrise wenigstens bei exotischen Getränken erleben wollten. Rigo griff zur Tequilaflasche, ersparte sich Zitrone und Salz und den Plastiksombrero, alles nur Folkloreshow.
    »Trinkt das mal auf’s Haus. Ihr könnt’s gebrauchen.«
    Also kannte er die traurige Nachricht schon.
    »Eine hektische Runde von bei euch abhängig Beschäftigten, haha. Aber keine Witze. Ist Gorland schon verhaftet worden?«
    »Gorland verhaftet?« Sarkovy zog die Augenbrauen hoch, Rigo sah Bentner an und machte »ups.«
    »Kleiner Streit wohl gestern zwischen den beiden.«
    »Und du wusstest davon, Nils? Hättest du aber der Polizei sagen müssen.«
    Der würde man es eh zutragen. Der ganze Fall war Bentner lästig. Er bedauerte den Tod Weidenfelds, er ging ihm sogar nahe, Trauer aber war das nicht. Sicher, Weidenfeld war kein komplettes Arschloch gewesen; damals, als sie Pixity erschufen, enthusiastisch waren, nicht wussten, dass man alle zwanzig Sekunden auf die Armbanduhr schauen musste. Aber eigentlich war da ein Fremder gestorben, dessen Weg man einmal gekreuzt hatte, etwas mehr als eine flüchtige Begegnung, aber nicht viel mehr.
    Sie nahmen ihre

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