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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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Gläser, bestellten noch zwei Bier und steuerten den einzigen freien Tisch an, ein wenig abseits auch von den
gedämpften Stimmen und dem gelegentlich in die Luft gestochenen spitzen Gelächter.
    »Was war Claus eigentlich für ein Mensch?«
    Warum er das fragte, wusste Bentner nicht. Vielleicht weil es ihn tatsächlich interessierte, wahrscheinlicher jedoch, weil er die stummen Minuten mit Sarkovy fürchtete.
    »Gute Frage«, sagte der. »Du hast ihn ja gekannt. Ein Buchhalter eben. Mit einem unerklärlichen Schlag bei Frauen, siehe Alina und ganze Heerscharen feuchter Praktikantinnen. Ansonsten – nun ja. Ich kannte ihn kaum, so komisch das klingt. Wir waren Geschäftspartner.«
    Was hatte Bentner auch anderes erwartet. Ihre Biere kamen, sie tranken die Schaumkronen ab, wischten sich deren Überreste von den Lippen.
    »Morgen früh müssen wir uns zusammensetzen. Überlegen, wie’s weitergehen könnte.«
    Sarkovy hatte natürlich Recht. Die Situation war eine andere geworden, ein Konkurrent überraschend vom Schlachtfeld verschwunden.
    »Glaubst du, dass Alina morgen in die Firma kommt?«
    Sarkovy lachte.
    »Darauf würde ich Wetten annehmen. Ihr Nervenzusammenbruch war 1A, richtig gut gemacht. Wahrscheinlich liegt sie jetzt mit ihrer Gespielin und einer Pulle Schampus im Bett, ich würde ihr auch zutrauen, morgen ganz in Schwarz aufzukreuzen. Manchmal vermisse ich die Augenkrebszeiten schon. Überhaupt …«
    Bloß keine Nostalgie jetzt.
    »Und sonst? Warum könnte Claus umgebracht worden sein?«
    Michael Sarkovy tat, was er immer tat, wenn er vorgab nachzudenken. Zog die Lippen breit schmal, bewegte den Kopf von rechts nach links und links nach rechts, zog die Augenbrauen hoch.
    »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ein Einbrecher? Unwahrscheinlich. Eine Frauengeschichte? Schon besser. Etwas, von dem wir nichts wissen? Ein düsteres Geheimnis? Spannend. Oder doch ganz schnöde Gorland?«
    »Oder du? Oder Alina? Oder ich?«
    Für den Bruchteil einer Sekunde geriet Sarkovy aus seiner Selbstsicherheit, fingerte am Bierglas, wollte einen Schluck trinken, ließ es aber.
    »Tja. Genau. Immer korrekt bleiben. Wir hätten alle ein Motiv gehabt. Laut Gesellschaftervertrag wird der Anteil eines durch Tod Ausscheidenden unter den noch Lebenden aufgeteilt. Also sind wir ab sofort Mordverdächtige. Rigo? Zahlen, bitte. Geht auf mich!«

    Er war betrunken, gar kein Zweifel. Der Schlüssel hatte gerade so eben ins Schloss gepasst, ihn herumzudrehen entpuppte sich als komplexer Vorgang, die Kloschüssel, in die er den Tequila kotzte, hätte keinen Meter weiter entfernt sein dürfen.
    Sein Gleichgewichtssinn funktionierte nicht mehr, Rauschen in den Ohren, ein penetrantes Pochen dazu. Die Lider verschlossen und verriegelt, kleine Männchen, die sich abmühten, sie hochzuschieben, ohne Erfolg. Seine Gedanken waren wirr und klar zugleich; gut, das waren sie wohl immer. Bentner lag in voller Montur rücklings auf dem Bett, das wusste er, das war einer der wenigen Fakten in seinem momentanen Gehirn. Von seiner Jacke stank Kotze, die den Weg in die Kanalisation nicht gefunden hatte. Die Wohnungstür. Unwahrscheinlich, dass er sie abgeschlossen, wenigstens ins Schloss gedrückt hatte, so zielstrebig war der Mageninhalt durch die Speiseröhre eruptiert, so ungebremst dieser alkoholisierte Leib ins Badezimmer getaumelt.
    Sarkovy war doch noch geblieben. Irgendjemand war zu ihrem Tisch gekommen, Sergey Dehmel, der neue Grafiker, jetzt fiel es Bentner ein. Ein gemurmeltes Beileid, völlig deplatziert, die üblichen Worte der Bestürzung.
    »Na, setz dich, Sergey. Rigo, bring uns noch ’ne Runde Tequila!«
    Rigoberto Ortiz, kein Mexikaner, kein richtiger Hispanole, Sohn einer deutschen Mutter und eines spanischen, nie gekannten Vaters, nickte.
    Dieser Dehmel, Diplomgrafiker, ein perfekter künstlerischer Klon seines Vorgängers Gorland, dessen Stil er übernommen hatte. Ansonsten ein – keine Ahnung, dachte Bentner und versuchte den Kopf zu heben, was ihm nicht gelang. Überhaupt: Unsinn, jetzt an den zu denken. Oder an Sarkovy, der noch eine weitere Runde spendierte, immer generös, immer beobachtend. Bis sich Dehmel, der noch keine 30 sein mochte, in Richtung einer bereits angegrauten Dame verabschiedete, die am Tresen stand und deren Lächeln keinen Zweifel daran lassen konnte, dass es in dieser Nacht noch ein feuchtes Laken und mehrere Zigaretten danach geben würde.
    Warum kann ich meine Augen nicht öffnen? Dumme Frage. Seine

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