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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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das Recht, solche Kreaturen aus dem Paradies der Perversionen ins ewige Fegefeuer des gesperrten Accounts zu stoßen. Noch hatte er es nicht getan, hatte gezögert, die Adresse in eine einfache Word-Datei kopiert.
    chillerkiller hatte erst kürzlich 1000 PD gekauft, für 250 Euro immerhin, die von einem Handy aus bezahlt worden waren. Noch während die Besitzerin des Geräts mit ihren Fingern anderes tat als eine Tastatur zu bedienen, wählte Bentner die Nummer und hörte eine Computerstimme. Die Nummer existierte nicht mehr, alles andere hätte Bentner auch überrascht. Vielleicht hatte er gehofft, die beschäftigte Dame würde durch das penetrante Quäken eines lächerlichen Klingeltons aus ihrer Ekstase gerissen, eine gerechte, aber nicht ausreichende Strafe für das, was sie gerade tat, doch es geschah nicht. Wahrscheinlich hatte sie ein Prepaid-Handy benutzt und nach Gebrauch in der nächsten anonymen Mülltonne entsorgt.
    Lösch sie, Nils. Mach dem Spuk ein Ende. Mach überhaupt jedem Spuk ein Ende, kassier die Kohle, verschwinde von hier, leg dich in die Sonne, denk nach, wie es weitergehen könnte, verlern das Programmieren, lern einen anständigen Beruf oder lass es bleiben. Aber er hatte dann nicht einmal die onanierende Frau entfernt, hatte ihr zugesehen wie einem drittklassigen Porno. Irgendetwas ließ ihn zögern, die Ahnung möglicherweise, dass es Anna nicht recht wäre. Schon vorher war Bentner der Gedanke gekommen, Anna sei auf der Suche. Dass sie wie er auf der Jagd war, vom Instinkt eines Kindes angefeuert, das sich ohne Skrupel und Angst in eine Gefahr stürzte. Aber warum?
    Was wusste Bentner über Anna14, was hatte Jana herausgefunden? Anna14 hatte beträchtliche Probleme in der Schule, hasste die Lehrer, machte keine Hausaufgaben, lag im Streit mit ihrer Mutter. Die war berufstätig, dünnhäutig, nervlich am Ende, mit der Erziehung einer pubertierenden Tochter heillos überfordert.
    Was wusste Bentner von Anna_lieb_dich, was hatte Rickboy herausgefunden? Endlose Gespräche über das Abhauen. Sie halte es nicht mehr aus. Weg von hier, irgendwo hin. Rickboy hatte den Psychologen spielen müssen, Abhauen sei keine Lösung, er selbst habe das ja auch tun wollen, vor zwei Jahren, selber vierzehn, das sei nun einmal so, ganz normal. Und wohin sie denn wolle?
    Egal, hatte Anna_lieb_dich geantwortet. Sie habe mit einer Freundin geflachst, man könne doch als Prostituierte am Bahnhof arbeiten – nein, nein, keine Sorge, halt nur das übliche dumme Gequatsche, nein, sie wisse es nicht, oder doch. Sie werde zu ihrem Vater gehen.
    Ihren Vater liebte sie. Er lebte von der Familie getrennt, ganz weit weg, »aber er ist immer da weisst wenn ich ihn brauch«, nein, das verstand Rickboy nicht, sei auch egal, sagte Anna.
    Und beide Annas hatten goldenes Blut, wenngleich weder Jana und Rick bisher herauszufinden vermocht hatten, was damit gemeint war. Nachfragen ignorierten die Annas, sie schickten einen Smiley oder wechselten das Thema oder gingen ganz einfach off.
    Ein übertriebener Orgasmus hatte die Privatvorstellung der Frau schließlich beendet, ein wie ein Gummiball herumhüpfendes Becken. Dann beugte sie sich vor, zeigte kurz ihre kleinen und straffen Brüste, streckte eine Hand aus und der Bildschirm des Videofensters wurde schwarz. Als Bentner nach Pixity zurückkam, war der Raum leer, Anna14 und chillerkiller nicht mehr in der Stadt.
    Wieder hustete es sich über den Flur. Bentner sah auf die Uhr, viertel vor zehn. Eine Tür wurde geöffnet und mit Karacho ins Schloss gepfeffert, die Schritte des Hustenden beschleunigten sich, ein lautes, unverkennbar aus dem Alina-Mund explodierendes »Verfluchte Scheiße!« trieb ihn an. Erneut wurde eine Tür geöffnet, Töne einer Unterhaltung tröpfelten leise auf den Flur, brachen abrupt ab, die Tür wurde, sehr vorsichtig, geschlossen, dafür eine andere geöffnet, wohl dieselbe, die vor Sekunden so voller Wucht und Wut zugeworfen war und auch jetzt diesem Schicksal nicht entging. Dann wieder Stille.
    Bentner sah nach draußen auf den Parkplatz, es schneite leicht und überzuckerte die Autos, legte sich auf den Matsch der Straße. Alles wurde weiß, unberührt, idyllisch. Bentner fror jetzt.

    »Die müssen die Tür aufbrechen!«
    Sagte, ziemlich außer Atem, eine der beiden Angestellten der Abteilung Auswertung, die für Bentner immer namenlos gebliebene kleine Blonde, Alter nur zu schätzen. Für einen Augenblick, als sie an ihm auf der Treppe vorbei nach

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