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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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nicht! Wir brauchen die Unterlagen!«
    Eine halbe Stunde später, im Konferenzzimmer, hatte sie sich beruhigt. Wie erwartet ganz in Schwarz, eleganter Hosenanzug, Pumps, die Augen leicht gerötet, als hätte es aus ihnen geweint, es musste Zeit und Mühe gekostet haben, sie entsprechend herzurichten.
    »Aha«, sagte sie, »vollzählig. Fangen wir an.«
    Wie immer standen die silbernen Kaffeekannen und die Teller mit Plätzchen auf dem Tisch, hockte Almuth mit Stenoblock und Bleistift ein wenig abseits. Alina räusperte sich.
    »Ihr wisst, wie es mit Claus und mir war, ich will jetzt nicht … aber trotzdem: Es ist ein schrecklicher Verlust für die Firma, und erinnert ihr euch noch an damals, als wir anfingen …«
    Bentner betrachtete sich die Plätzchen. Welche mit Schokoüberzug, Röllchen, eher trockene, eine Sorte mit einer Art Konfitürenklecks in der Mitte, die schmeckte überhaupt nicht. Alina redete weiter, Michael nickte wie ein Dackel auf der Heckablage, Almuth ließ die Spitze ihres Bleistifts über das Papier tanzen. Bent­ner dachte an alles Mögliche, dachte an Lisa, was irgendwann nicht mehr harmlos war, schweifte zurück zu den Plätzchen, überlegte sich, ob er eins nehmen sollte, einen Kaffee dazu – nein. Alina redete und Bentner gab sich Mühe, ihr nicht zuzuhören, was am besten gelang, wenn man jedes ihrer Worte wie einen Klangteppich nahm und mit Füßen trat.
    »Deshalb müssen wir möglichst schnell eine Lösung finden. Niemand von uns ist wirklich fit in Buchführung. Ich denke, wir beauftragen noch heute einen Headhunter, ich übernehme das dann. Alle einverstanden?«
    Sarkovy und Bentner nickten es ab. Alina sah zu Almuth.
    »Könntest du jetzt Dehmel und Abels holen?«
    Den Grafiker und den Programmierer also. Bentner runzelte die Stirn, niemand nahm davon Notiz.
    »Es ist nämlich so, Nils, Michael und ich …«
    Sarkovy hatte auf sein Stichwort gewartet und redete weiter, Bentner zugewandt.
    »Wir möchten Claus eine letzte Ehre erweisen. Pixity war auch sein Kind, er hat sich dafür eingesetzt, er hat sich so dafür begeistert wie wir alle, er hat dafür gearbeitet, das erwähne ich hier nur der Vollständigkeit halber. Unsere Pixies sollen wissen, dass Claus nicht mehr unter uns ist. Wir haben lange überlegt, Alina und ich, ob man Kinder mit dem Tod konfrontieren sollte. Aber sie werden ständig damit konfrontiert. In der Familie, im Fernsehen, im Internet, überall. Wir haben uns gedacht, dass ein kleiner Nachruf …«
    Almuth kam zurück, Dehmel und Abels im Schlepptau.

    Ein einziger Tequila, nicht mehr. Er fixierte das Glas und versenkte seit einer Dreiviertelstunde darin seine düsteren Gedanken, bevor er sie denken konnte.
    Bentner hatte seinen Wagen aus dem Parkhaus holen wollen, saß schon am Steuer, die Rechte am Zündschlüssel. Er ließ die Hand sinken, lehnte sich zurück und schloss die Augen. Diese Karriereschnauzen. Die Worte, aus Pietät nicht ausgesprochen, aber pausenlos durch die Gedanken gejagt: Kundenbindung, Emotional Engineering, Profit.
    Dann war er wieder ausgestiegen, zu Fuß über den Marktplatz in die Seitenstraße, das grünlich schimmernde   Taco’s   aus Glühlämpchen hinter Glas, Rigo, der gleichzeitig aufschaute und ihm zunickte. Nur einen Tequila.
    Keine Ahnung, wie lange er hier sitzen würde, das Glas anstarren, das nicht leerer wurde und nicht voller, so viele Gedanken auch in seinem Inhalt ertränkt wurden. Rigo hatte wortlos serviert, er kannte seine Pappenheimer.
    »Na, fleißig am Trauern und Reibach machen?«
    Hans-Jürgen Gorland, der sich gegenüber setzte, das frisch gezapfte Bier in der Faust.
    Bentner antwortete nicht.
    »Immer wieder interessant, so ein kurzer Besuch in Pixity.«
    Er trank sein Glas auf ex aus, schmatzte, hielt es hoch, winkte damit.
    »Aber schon okay so. Claus wäre der erste gewesen, aus seinem eigenen Tod auch noch Kapital zu schlagen.«
    Bentner antwortete immer noch nicht. Er sah die beiden Figuren heute Morgen vor sich, ganz in schwarz, sie hatten sich nicht umziehen müssen, trugen es ja immer. Ein hipper Grafiker und ein schleimiger Programmierer, jetzt unisono mit der frohen Botschaft, die Trauerseite stehe, das Kondolenzbuch sei ebenfalls on, ein Trauerflor für den symbolischen Preis von einem PD ab sofort zu erwerben.
    »Wie bitte?«
    Alina lächelte Bentner an.
    »Michael und ich«, der Genannte lächelte nun ebenfalls zu Bent­ner hin, »haben uns gedacht, dass es einfach eine schöne Geste

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