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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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können.
    JoeXXX: hast icq?
    Jana_13: logo
    JoeXXX: ok gib ma nummer ich adde dich
    Der Raum füllte sich immer bedrohlicher, kaum noch ein freier Platz. Pubertierende Kinder und aufgegeilte Erwachsene schrieben wild durcheinander, machten sich gegenseitig an. Bentner klickte sich durch die Porträts, bannte alle in einer Liste, musste nur noch …
    Sie war unbemerkt erschienen, stand direkt neben der Tür. Anna_lieb_dich. Keine Mimik, keine Sprechblase vorm Mund. Sie sah zu, sie las mit. Ein zweites Mädchen neben ihr. Anna14. Wer immer diese Anna war, auch diese Person musste jetzt über zwei Rechner verfügen, denn es war unmöglich, sich mit zwei Pixies gleichzeitig auf einem Rechner einzuloggen. Zwei, vielleicht drei Minuten ging das so. Dann verschwand zuerst Anna_lieb_dich, eine Sekunde später Anna14. Bentner klickte und löschte
31 Personen für immer aus der Stadt.

WIE ES RIECHT, WIE ES AUSSIEHT
    Am Freitag machte Bentner blau. Er spürte nach dem Erwachen ein Kratzen im Hals, was erträglicher schien als die Schmerzen, mit denen er eingeschlafen war. Anna musste jetzt tatsächlich zwei Rechner besitzen, eine Ungereimtheit. Klagte sie doch darüber, der Familien-PC stehe im Wohnzimmer, von einer misstrauischen Mutter bewacht und mit einem Passwort versehen, das aber so phantasielos gewählt worden war, dass Anna es mühelos geknackt hatte. Geld besaß Anna auch nicht. Und selbst wenn, die Mutter würde ihr den Besitz eines eigenen Rechners, womöglich eines Laptop, nicht erlauben, ganz ausgeschlossen, hatte Anna gesagt, sie ist so doof, so furchtbar doof, sie hält mich für ein kleines Kind. Vielleicht war ein Wunder geschehen. Nur, warum loggte sich Anna dann an ihrem alten und neuen Rechner gleichzeitig ein, spätabends zumal, gewiss im Wohnzimmer?
    Je länger Bentner nachdachte, desto rätselhafter wurde alles. Er fand Erklärungen und Gegenerklärungen, er stellte sich Anna vor, wie sie ihre Rechner bediente, eine Anna aus den Bruchstücken, die sie von sich preisgegeben hatte. Einssiebzig groß sei sie, lange braune Haare mit Mittelscheitel, die aber natürlich immer gefärbt, blond oder rot oder seltener auch pechschwarz. Nein, sie könne essen, was sie wolle, sie nehme nicht zu. Also sehr schlank. Ständig am Lutschen von Eiswürfeln, pizza- und pommesabhängig, die Frau Mama selbstverständlich Vegetarierin, einen richtigen Salat bekomme sie trotzdem nicht hin.
    Einmal hatte sie nach Janas Körbchengröße gefragt, »75A« die zerknirschte Antwort. Und der Triumph eines mit drei Ausrufezeichen versehenen »75C« von Seiten Annas, die sogleich die Tröstung nachschickte, das könne sich bei Jana noch ändern, sie sei ja mitten im Wachstum.
    Die Füße. Etwas zu groß. 40. Die Nase vor allem. Auch zu groß, ein wenig plattgedrückt, so ein dicker Strich halt in der Fresse. Am liebsten trage sie Leggis und Jeans, logo, wenn sie – Bentner hörte es fluchen – staubsaugen müsse, dann am liebsten nur mit einer Strumpfhose bekleidet, einem überlangen Shirt drüber, sehr bequem. Hähä, durchsichtig, ja.
    Hatte sie das Jana erzählt oder Rick? Bentner wusste es nicht mehr genau. Er hatte festgestellt, dass ihm warm wurde, wenn er sich Anna beim Staubsaugen vorstellte, ein vierzehnjähriges Mädchen.
    In der Küche schaute er zum ersten Mal an diesem Morgen auf die Uhr. Es war halb neun, er hätte sowieso verschlafen. Der Himmel blau, man konnte die Kälte sehen. Unter dem Fenster jauchzten ein paar verspätete Schüler.
    Anna besuchte ein Gymnasium, allmählich kramte Bentner auch hier die verstreuten Details hervor. Fünf Minuten fuhr sie mit dem Bus zur Schule, »oh mist ey, dann kommst nich über die strasse weisst weil da voll der verkehr is und die ampel immer rot«. Latein hatte sie nicht, also kein altsprachliches Gymnasium. Stattdessen war sie in einer Bio-AG, die Wintergemüse im eigenen Gewächshaus zog. Der Bäcker. Genau. Gegenüber der Schule gab es eine Bäckerei, in der Anna, wenn der Bus keine Verspätung hatte oder die Schüler Schlange standen, noch schnell ihr Frühstück einkaufen konnte. Der Hausmeister war »ein arsch verstehst. der guckt einen immer so an, da kaufen wir mädis nix«.
    Bentner kannte alle Gymnasien der Stadt wenigstens von außen. Belebte Straße, Gewächshaus, Bäckerei …
    »Oh«, machte Almuth Neu nur. »Da wünsch ich natürlich gute Besserung. Man hört’s auch.«
    Er hatte sie angerufen, sie war sofort an den Apparat gegangen.
    »Da ist was im Umlauf,

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