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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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machte ihm etwas vor, hatte seine Versuche durchschaut, quälte ihn, zwang ihn, immer dann, wenn er durch die Stadt ging, sich die vierzehnjährigen Mädchen näher zu betrachten, in der irrwitzigen Hoffnung, Anna zu erkennen.
    Anna, die auch Anton heißen konnte, nicht 14, sondern 41 Jahre zählte, die klassische Situation des Fakes, der auf einen anderen hereinfiel und, indem er triumphierte, grandios scheiterte.
    Wieder Stress mit Ma. Hatte sie heute Morgen aus dem Bett werfen wollen, kein Fieberthermometer im Haus, leg doch mal deine Hand auf meine Stirn, ist ganz heiß. Ich halt das nicht mehr aus, weißt. Glaubst gar nicht, wie die mich immer anschreit und dann schrei ich zurück ist doch klar. Ihr müsst euch mal in Ruhe … Jaaaaaaaaaa. Weiß ich doch auch! Geht aber nicht! Sie hört mir doch nicht zu!!!
    So ging das eine Weile. Bentner gab seine Ratschläge, beruhigte Anna, die endlich das Thema fallen ließ.
    Anna_lieb_dich: und wieso bist du nich in schule?
    Rickboy_16: kb
    Anna_lieb_dich: cool ☺   machst blau also
    Rickboy_16: hehe ja
    Anna_lieb_dich: pass bloß auf. sonst bleibst sitzen.
    Rickboy_16: neeeeeeeeee. Hab keine probleme in schule
    Anna_lieb_dich: oki
    Bentner dachte an walrus_man, einen Fake, der kleine Mädchen ansprach, sie jedoch niemals sexuell belästigte, die Kleinigkeiten ihres Alltags erforschte, ihnen zuhörte, wenn sie von ihren Problemen redeten. walrus_man war an tami geraten, die bei einer Größe von 1,58 nur 38 Kilo wog. Tagelang hatte walrus_man auf sie eingeredet, sie solle doch essen, nein, sie sei eh schon zu dick, drei Ausrufezeichen dahinter. walrus_man gab nicht auf, du wirst krank, du wirst vielleicht sterben, Schatzi, mir gefällst du doch auch mit ein paar Kilos mehr, ja, sogar besser – aber du hast mich doch gar nicht gesehen!, konterte tami, und ich schick dir auch keine Bilder – nein, nein, musst du nicht, ich weiß, dass du wunderschön bist, aber du wirst noch wunderschöner, wenn du isst.
    Das war über Wochen so gegangen, jedes Stück Pizza, jede halbe Banane wurde von walrus_man als Erfolg gefeiert. Er machte sich kundig, recherchierte über Essstörungen im Netz, verpackte seine Argumente nicht ungeschickt. Und weil er in Pixity ein 16-jähriger Junge war, versprach er tami für jeden Bissen Essen ein süßes Küsschen.
    So war es walrus_man gelungen, tami zu einem Arztbesuch zu bewegen, wo ihr die Leviten gelesen und Tabletten verschrieben wurden. Doch, sie werde jetzt essen, wenigstens abends und, ja gut, auch ein wenig Toast zum Frühstück. walrus_man jubelte. Er habe nicht mehr schlafen können, ständig an tami gedacht, und Bentner glaubte ihm.
    Auch er dachte an Anna, sah sie in ihrem Jungmädchenzimmer vor dem Rechner, draußen wurde an die Tür gehämmert, natürlich abgeschlossen, Fäuste einer wütenden Mutter, deren Nerven blank lagen. Und Anna sprach mit Rick.
    Anna_lieb_dich: wenn das so weitergeht mach ich mit meiner freundin hier den abgang.
    Rickboy_16: freundin?
    Anna_lieb_dich: aso. Nee. Geht nich
    Rickboy_16: warum geht nich?
    Anna_lieb_dich: wir wollten halt ma nach berlin abhauen oder so. ey cool! weisst was wir gesagt haben? dann werden wir halt prostituierte und verdienen so unser geld.
    Rickboy_16: ey!
    Anna_lieb_dich: ja war scheisse. geht ja eh nich mehr
    Rickboy_16: warum geht nich? will sie nich mehr?
    Anna_lieb_dich: hm
    Dann war sie off gegangen. Bentner ans Fenster getreten, nach einem Blick auf die Uhr, gerade neun Uhr geworden, der Parkplatz voll, auf dem Flur mehr Bewegung als sonst, knirschende Stiefel und das Hochhackige der Frauen. Lisa war noch nicht erschienen, konnte sein, dass sie heute gar nicht kommen würde. Türen gingen, Sätze in der Luft.
    Gegen halb zehn kam die Polizei. Zwei Wagen, aus denen je drei Personen stiegen, die beiden Beamten von gestern darunter. Bent­ner setzte sich vor den Rechner. Zwar existierte ein Netzwerk, um den Austausch von Daten zu ermöglichen, Weidenfeld jedoch hatte seinen Computer von Anfang an isoliert, sensible Daten eben, die niemanden etwas angingen. Auf dem Server durchsuchte Bentner den Ordner Sicherungskopien, fand einen Unterordner »Weidenfeld«, umging den Kopierschutz, knackte das Passwort, sicherte die Dokumente auf einem Stick, beseitigte alle Spuren. Die Polizei würde Weidenfelds Rechner ohne Zweifel mitnehmen, schon hörte man die Herde auf dem Flur, vor Weidenfelds Büro, und eine Stimme, Alinas Stimme, die sich in hysterische Höhen schraubte: »Das geht

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