Pixity - Stadt der Unsichtbaren
Gesicht, aber da regte sich nichts und vielleicht war es genau das, was sie sehen wollte.
Ein Küchenmesser aus dem Haushalt des Opfers, das die Attacke arglos hatte über sich ergehen lassen, noch immer die Überraschung im Gesicht, als man den Toten später fand. Vier Stiche in den Bauch, mit einiger Gewalt ausgeführt. Weidenfeld war nicht gleich tot gewesen, hatte sich – da musste der Täter die Wohnung schon verlassen haben – noch bis zur Tür geschleppt. Ein Mord mit sehr viel Wut.
Lisa war nicht im Büro erschienen. Kam vor. Sie schrieb eine Klausur, tagte mit den Kollegen und Kolleginnen irgendeiner Arbeitsgruppe oder hatte einfach keine Lust. Man würde auch sie befragen, früher oder später.
Ihn fröstelte. Durch das Fenster im dritten Stock sah er auf die Straße, nichts erinnerte dort an Winter oder Weihnacht, eine verwischte, nasse Dunkelheit im Licht trüber Laternen im Sparmodus. Bentner suchte nach Essbarem, fand etwas, eine kyrillisch beschriftete Konserve aus den »Russlandwochen« des nahen Discounters, der Inhalt sah nach Fleisch in Soße aus und schmeckte nach etwas anderem, für das Bentner vorsichtshalber keinen Namen suchte. Er drehte die Heizung auf. Steckte sich selbst in eine wärmere Hose, eine dicke Flauschjacke, seine Füße waren eiskalt, er setzte sich auf einen Stuhl vor das Heizgerippe, drückte die Füße dagegen bis es weh tat.
Bentner hatte sich auf zwei Laptops in Pixity eingeloggt, pirschte mit Jana und Rick durch die nächtliche Stadt. Schauten nur zu und lasen. Manchmal trafen sie sich.
Jana_13: Hallo Rick.
Rickboy_16: hallo jana. kennen wir uns?
Jana_13: Hm nö, oder?
Rickboy_16: bist eh ein fake.
Jana_13: Warum?
Rickboy_16: du unterscheidest zwischen groß- und kleinschreibung.
Jana_13: uh shit, ja. Sry
Ein Junge, Trauerflor um den Arm, näherte sich Jana.
Comantsche: hi suesse
Rickboy_16: verpiss dich indianer
Comantsche: mit dir red ich nich du behinderter
Rickboy_16: hau ab oder ich tret dir in die eier spasti
Jana_13: yep genau. machs dir selber comantsche
Comantsche verschwand vom Bildschirm.
Jana_13: hihi
Rickboy_16: hihi
Sie pöbelten eine Zeitlang durch den Park, erschreckten kleine Mädchen, drohten den stürmischen Jungs. Sie waren wie trunken, euphorisch, rempelten sich durch Pixity, ein Vokabular erlesenster Schimpfwörter und Obszönitäten sprudelte aus ihnen, ungeahndet. Denn Bentner hatte den Schweinesprechfilter deaktiviert.
Sie suchten das große Kino heim, wo zwei Dutzend Pixies auf ihren Logenplätzen saßen und eine schwarze Leinwand anglotzten.
Rickboy_16: wir wollen einen fickfilm sehen!
Jana_13: schön mit rasierten muschis!
So marodierten sie durch die Stadt, schlugen eine Schneise der moralischen Verwüstung oder erregten kleine Kinder und Fakes, die ihnen bald wie eine Gemeinde auf ihrem Weg folgten. Bentner schrieb ohne nachzudenken, es schrieb aus ihm. Rick und Jana hatten Sex, schilderten ihn detailliert, auch ihre Anhänger konnten sich nicht mehr halten, feuerten an, gierten nach weiteren Details, fielen schließlich selbst übereinander her. Eine Orgie, wie sie Pixity noch nie erlebt hatte.
Schließlich landeten sie bei einer Weihnachtsfeier im Privatraum eines gewissen JoeXXX, ein feudales Nest mit allem, was man für PDs kaufen konnte, sogar einem reich geschmückten Tannenbaum in der Ecke.
JoeXXX: ey ihr! seid ihr assis?
Bentner hatte Jana und Rick mit genügend PDs versorgt, sie trugen die angesagtesten Klamotten.
JoeXXX: ey ihr habt ja kohle! dürft bleiben! wir wolln hier keine armen schweine das hier is exklusiff!
Jana_13: ok alter und jetzt fick mich du sau!
JoeXXX: ey wieso seh ich hier dass du ficken geschrieben hast! is doch sonst nich so!
Rickboy_16: ey scheissegal! fick sie oder kannst nich? bist schwul?
JoeXXX bemühte sich, gab alles was sein begrenztes Vokabular für solche Situationen hergab.
JoeXXX: dann führe ich meinen penis in deine scheide ein und mache hin und her.
Jana_13: oki. wennst abspritzt sagst bescheid.
JoeXXX: oki mach ich
Bentner, noch immer fröstelnd, lächelte. Er stellte sich JoeXXX vor seinem Rechner vor, eventuell ein kaufmännischer Angestellter des traurigen Mittelalters, der gar nicht wusste wie ihm geschah, der sich Geschlechtsverkehr mit einer Vierzehnjährigen vorstellte und, während die Linke umständlich tippte und die Rechte ein immer besser durchblutetes Stück Gewebe erhitzte, nüchtern zu überlegen versuchte, wie er diese Jana würde halten
Weitere Kostenlose Bücher