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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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einer Gummizelle.
    »Verrückt«, murmelte er Lisa nach, die ihre Füße auf den Schreibtisch legte, genau neben die Tastatur, die Zehen noch einmal beugte und streckte.
    »Und was haben die beiden davon?«
    Bentner schien es nicht zu hören. Also noch einmal.
    »Die beiden – die Fakes – was haben die davon? Hallo?«
    Bentners Phantasie fluchte und zog Lisa die Wollsocken wieder an. Ganz langsam. Erst den linken, dann den rechten.
    »Die beiden? Na, sie werden sich vermutlich jede Woche eine neue Tastatur kaufen müssen. Schreibt sich nicht so gut, wenn die Tasten so eklig verklebt sind. Und ansonsten: Bilder sammeln auf icq und msn.«
    Lisa lachte ein wenig gequält.
    »Gibt’s immer noch so doofe Mädels? Die ihre Zimmertür abschließen, sich nackig machen und mal schnell ihre Muschi knipsen?«
    »Gibt’s noch. Hat’s ja auch früher.«
    Lisa seufzte.
    »Oh ja, ich erinnere mich dunkel. Wie blöd man mit 15 ist.«
    Bentner sagte nichts und verbot seiner Phantasie den Blick zurück in Lisas pubertäre Verwirrung.
    »Soll ich mich von den beiden mal auf icq locken lassen?«
    »Und wenn sie Bilder sehen wollen …«
    »… schau ich mal auf alten CDs nach.«
    »Aber schneid bitte den Kopf ab.«
    »Muss nicht. Hab heut ’ne ganz andere Frisur.«
    Sie waren Komplizen. Einigten sich auf ein Erkennungszeichen, denn NataschaX hatte zwei, die sie aktivieren konnten.
    »Wenn ich dich mit ›Hi Natascha‹   begrüße«, sagte Bentner, »dann antwortest du ›selber hai xD‹.«
    Lisa merkte es sich kichernd.
    »Und du? Gibt es nur dich hinter Jana und Rick?«
    Gute Frage. Daran hatte Bentner noch nicht gedacht. Er würde beide auf die Wächterliste setzen müssen.
    »Ich war ein Volltrottel«, gab er schließlich zu. »Pixity ist gegen eine Attacke von außen optimal abgeschirmt. Nicht unangreifbar, das geht gar nicht, eine blutige Nase holen sich Angreifer schon. Aber intern ist Pixity so offen wie ein Scheunentor. Jeder kann alles erfahren, alles manipulieren.«
    »Der große Unbekannte arbeitet also für PixBiz.«
    Lisa sagte es, nahm die Füße vom Tisch, schlüpfte in ihre Stiefel.
    »Muss«, sagte Bentner und seine Phantasie machte aus den Stiefeln schöne schwarze Heels.
    »Einer von euch«, schloss Lisa.
    »Oder ein anderer«, ergänzte Bentner.
    »Ich zum Beispiel.«
    »Du zum Beispiel.«
    Sie nickte. Natürlich. Klaro.
    »Oder du.«
    »Oder ich.«
    »Und was tust du, wenn du den Kerl oder die Kerlin hast?«
    Bentner antwortete nicht gleich. Es war gute Programmiertradition, nicht mehr benötigte Objekte aus dem Arbeitsspeicher zu löschen. Lisa stand auf.
    »Pixie.kill()«, sagte Bentner endlich.

    Er begleitete Lisa nach Hause. Sie hängten sich ein wie ein Liebespaar, schlitterten über den Matsch wie ausgelassene Kinder, standen vor der Wohnungstür wie verlegene Teenager nach der Tanzstunde.
    »Kommst du noch mit rein was trinken? Gibt aber nur Sprudel oder Kaffee oder Tee, es sei denn, du stehst auf Aldi-Wein.«
    Ja, sabberte die Phantasie, »nein, ein andermal«, sprach der keusche Mund. Und war endgültig der Vater einer Tochter, fügte hinzu: »Und schließ gut ab. Lass niemanden rein.«
    Lisa nickte und schüttelte gleich danach den Kopf.
    »Corinne kommt später noch vorbei und bringt mir meine Sachen. Wir werden es uns bei einem Glas, äh … Wein gemütlich machen. Bin ich ihr schuldig. Spaghetti kochen und so. Also richtig geiler Weiberabend.«
    »Und dann geht sie hoffentlich brav heim in ihr Heiabett.«
    »Oder ich pump ihr die Luftmatratze auf, sie liegt nackt und schmachtend da und schließlich fallen wir übereinander her und kriegen je einen Orgasmus.«
    »Okay. Auch gut.«
    Irgendwo hab ich die scheiß Weihnachtskarte, dachte Bentner gegen seine Phantasie an. Irgendwo eine gekritzelte Telefonnummer. Hoffentlich nicht unleserlich.
    Rigo hinter der Theke, den Blick in die linke hintere Ecke seines Etablissements schickend, der rechte Augapfel drehte sich zu Bent­ner hin.
    »Guck mal.«
    Bentner guckte. Auf seinem üblichen Platz hockte Gorland, ihm gegenüber die ältere Frau, die heute gar nicht so alt aussah, was sie vielleicht der Beleuchtung zu verdanken hatte.
    »Was zum Chillen?«
    »Ja, mach mal«, sagte Bentner und drehte den Kopf zur Spiegelwand, sah sich selbst zwischen Flaschenparaden und Gläserpyramiden in Bruchstücken.
    Es war nicht viel los im   Taco’s . Schon dunkel, aber immer noch später Nachmittag. Gehetzte Konsumenten draußen im Matsch, erneut Eisregen

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