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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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aufgemerkt, Bentner angeschaut, wie man ein Tier anschaut, von dem man nicht weiß, ob es gefährlich ist oder nicht. Alte Säcke. Dann fiel der Groschen.
    »Oh. Hallo Jana.«
    »Hi Natascha. Schmink dir die Großschreibung ab.«

IMMER ZWEI
    Sie hatten Kaffee getrunken und über Anna gesprochen. »Ich nehm doch meinen Job hier ernst«, Lisa mit seriösem Augenaufschlag und einem festen Blick wie ein Ausrufezeichen, »ich muss schließlich wissen, was Pixity ist und hab mich angemeldet. Nur mal bisschen orientieren. Tja. Und dann läuft mir Anna über den Weg.«
    Von der zweiten Anna wusste sie nichts. Nur von dem kleinen Mädchen, das durch die Räume von Pixity strich wie eine Jägerin. »Sie suchte diese Frau, dieses Miststück, das sich kleinen Mädchen zeigt. Aber nicht nur, glaub ich.« Und machte »uh!«, als ihr Bentner von der anderen Anna und den zwei Rechnern erzählte, von der lieblosen Mutter und dem abwesenden Vater, mit dem sie anderswo chattete. »Das klingt nicht gut.« Bentner bestätigte das.
    »Kann sein, dass sie ein Fake ist. Aber …«
    »Genau. Ich glaub’s auch nicht. Sie ist ein Kind.«
    »Ja«, sagte Bentner und befragte den Wächter. Anna war seit ihrem letzten Erscheinen gestern Abend nicht mehr on gewesen, nur das Fakeduo hatte sich unermüdlich um kleine Mädchen gekümmert.
    »Mein Gott, was sind denn das für welche?«
    Bentner erläuterte seine Theorie des Fakeduos, zwei Männer wahrscheinlich gesetzteren Alters, die sich während der Jagd auf kleine Mädchen über den Weg gelaufen waren und gegenseitig erlegt hatten.
    »Keine Ahnung, ob ihnen inzwischen nicht schwant, an wen sie da jeweils geraten sind. Jedenfalls ergänzen sie sich prima. Und ist auch gut für die Glaubwürdigkeit. Ein Fake existiert nicht in der Wirklichkeit. Wenn ich also eine Freundin in der Wirklichkeit vorweisen kann, bin ich kein Fake.«
    »Gefährliche Logik«, sagte Lisa. »Und jetzt? Sind wir auch ein Duo? Jagen wir zusammen? Und wen?«
    Bentner schaute zur Uhr, es war kurz nach halb vier, die Zeit so schnell und erinnerungslos vergangen wie immer, wenn er fieberte.
    »Wir sind ein Duo. Hoffentlich kein Fakeduo. Ich frage mich die ganze Zeit, wo mein Denkfehler sein könnte. Weidenfeld wollte ein Programm schreiben, aber in diesem Programm kommst du offensichtlich nicht vor. Dennoch ist jemand hinter dir her. Welche Rolle spielst du also?«
    »Ich weiß es ehrlich nicht. Anna?«
    Anna. So oder so. Bentner begann zu erzählen, alles zu erzählen, von dem Besuch in seiner Wohnung, auch von seiner Exkursion ins Café, von dem Mädchen, das er für Anna gehalten hatte, was aber nichts weiter als eine Schnapsidee, ein lächerlicher Trugschluss gewesen sein konnte, von dem Zettel hinter dem Scheibenwischer.
    »Deshalb bist du also zu meiner Wohnung gekommen. Verstehe. Ich hab grad ’ne Gänsehaut. Und wer ist nun Anna wirklich?«
    »Vielleicht ein kleines Mädchen oder ein krankes Gehirn. Oder beides.«
    »Das ist so irre, irre, irre. Wo leben wir eigentlich?«
    Lisa hatte mit sich selbst geredet, die Stiefel längst ausgezogen, denn die Heizung bollerte ihre Wärme unerbittlich, es gab nichts mehr zu regulieren. Dicke Wollsocken, in denen sich die Zehen beugten und streckten, den Teppich in bekannter Manier massierten.
    Auf dem Flur war es ruhiger geworden. Hinter den Türen steckten Menschen in Aufgaben, blinzelten in immer schnelleren, arhythmischeren Frequenzen gegen die konstante Hertzzahl
ihrer Bildschirme. Zu müde zum Laufen, zu müde zum Kopfheben, zu müde sogar zum Rauchen, denkt man, bis einem der volle Aschenbecher über die Papiere kippt.
    Bentner kannte das. Du verfluchst deine Blase, du kannst jetzt nicht aufs Klo, du darfst nicht. In der Tasse ist noch ein Schluck kalter Kaffee, die Kanne ist leer, da kannst du schütteln wie du willst, du trinkst angewidert den Rest, sehnst dich nach dem Aroma von frisch Aufgebrühtem, aber dazu müsstest du aufstehen, Wasser holen, Pulver in eine Filtertüte häufeln, das ganze Brimborium. Doch der Bildschirm hat dich längst an der Leine.
    Bentner hörte jetzt jemanden über den Flur schlurfen, aus dem Programmierzimmer, vielleicht dieser Abels, jedenfalls bekam er die Füße nicht mehr hoch. Ein Greis von Mitte 20, eine Codefrequenz wie einen außer Kontrolle geratenen Brummkreisel im Kopf. Das kannte Bentner. Das hatte ihn selbst … das spürte er jetzt wieder, ein noch unsichtbares Objekt, das sich in Bewegung setzte, ein Objekt in Zwangsjacke in

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