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Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Pixity - Stadt der Unsichtbaren

Titel: Pixity - Stadt der Unsichtbaren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Paul Rudolph
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möglich, auch Schnee oder beides oder gar nichts davon, das Leben war ein meteorologisches Abenteuer.
    Ohne Schirmchen, ohne Salzrand, Bentner entfachte das Feuer langsam, in kleinen Schlucken, genoss es zu verbrennen. Kurze Kopfbewegung zur Ecke hin.
    »Wer ist die Frau? Stammgast?«
    »Jaaaa«, dehnte Rigo, »seit neuestem schon. Und pass bloß auf. Mag besonders PixBizler.«
    Ah ja, der Grafik-Dehmel und jetzt sein Vorgänger.
    »Sie mag Zeichner«, sagte Bentner.
    »Nicht nur«, sagte Rigo. »Oder konnte Claus zeichnen?«
    »Ach?«
    »Jaaaaa.«
    Wieder dieses Gedehne.
    »Überraschend. Claus war wohl eher der Typ Frischfleisch, wenn ich mal so sagen darf. Und die hier ist – hm – 40? 50? 60? Man müsste sie mal morgens ungeschminkt sehen, das heißt: Nee, eigentlich nicht.«
    Zwei deutlich als Vollidioten erkennbare Männer suchten das   Taco’s   heim, »weißt was«, sagte der eine, »kannst keine zehn Schritte laufen, ohne dass dich so ein Assi anbettelt.« »Genau«, sagte der andere, »alle zusammentreiben und Zaun drum und jeden dritten Tag ’ne Fuhre trocken Brot drüber werfen.« »Und basta«, vollendete der erste und beide lachten und beiden spuckte Rigo gekonnt und diskret in die leeren Gläser, bevor er sie mit mexikanischem Bier auffüllte.
    »Tja«, sagte Rigo, »Blödheit ist schon scheiße.« Sie sahen den beiden nach, die einen Tisch in der Mitte ansteuerten, sodann einen großen Schluck nahmen und »ah!« posaunten.
    Gorland hatte Bentner noch nicht bemerkt. Eine Flasche Wein zwischen sich und der Frau, ein ernstes Gespräch, sie hielten sich die Oberkörper hin, die Frau redete, Gorland starrte in das Nichts zwischen ihr und einem bunten Poster an der Wand, »E viva Mexico!«
    Bentner blieb an der Theke stehen, sah Rigo bei der Arbeit zu, was sehr beruhigend war, schläfrig machte. Rigo arbeitete im flüssigen Gleichmaß einer gutgepflegten, niemals überforderten Maschine aus soliden mechanischen Zutaten, es schien ihm gleichgültig, ob er einen einzigen Gast bediente oder eine wie jetzt von Minute zu Minute hektischer werdende Meute, die ihre Weihnachtseinkäufe über die Schwelle wuchtete, unter Tischen, auf Stühlen abstellte, sie von diesen räumte, wenn neue Gäste kamen, andere Plätze suchte, sie nicht fand, die Tüten und Taschen schließlich auf den Schoß nahm, was sehr lächerlich aussah. Rigo kontrollierte den Raum, fing Blicke, Gesten und Worte auf, nickte, zapfte, nickte, mischte Alkoholisches und Nichtalkoholisches, kam hinter seiner Theke hervor, vollführte einen sicheren Slalom zwischen Möbel und Menschen, servierte, sprach, lachte, kassierte. Bentner beobachtete es mit wachsender Bewunderung.
    »Ist das die mexikanische Lässigkeit?«
    Rigo zwinkerte ihm zu.
    »Och, wird wohl. Ich müsste mal nach Mexiko reisen, mich ein bisschen umgucken. Und den Burschen da drüben zeigen, was ein echter Mexikaner ist.«
    »Ach so. Sonnenstudio? Haarfärbemittel? Gel?«
    Rigo zapfte ein Bier.
    »Ja, aber nur wenig. Ich bin von Natur aus dieser dunkle Typ, weißt du. Hängt wohl mit irgendwelchen Hautpigmenten zusammen. Oder dass einer meiner Urahnen mit ’ner drallen Spanierin gevögelt hat und bei unsereinem kommt’s jetzt genetisch raus. Frag mich nicht. Aua. Dein Exkollege ordert eine neue Buddel.«
    Gorland und die Frau hockten noch immer an ihrem Tisch, die Frau hatte aufgehört zu reden, Gorland tat es sowieso nicht, also schwiegen sie und tranken. Keiner der anderen Gäste hatte sich zu ihnen gesetzt, obwohl noch zwei Plätze frei waren. Man hatte die Stühle weggenommen und sich anderweitig ein Örtchen gesucht.
    Einkaufen, dachte Bentner, ich müsste dringend einkaufen. Es graute ihm davor. Zwanzig nach sechs, dann plötzlich fünf nach sieben, er erinnerte sich an eine Tiefkühlpizza, fünf Scheiben Toast­ knapp jenseits des Haltbarkeitsdatums, es würde also bis morgen reichen. Er war beruhigt, nicht mehr ganz so schläfrig und bestellte einen letzten Tequila. Und irgendwann noch einen, er war längst nicht mehr alleine an der Theke, der Typ neben ihm summte ein Weihnachtslied und kicherte nach jeder Strophe.
    Warum dachte er jetzt an den toten Claus Weidenfeld? Dessen Leiche freigegeben worden sein müsste, nicht mehr in einem Schubfach in der Gerichtsmedizin lag, sondern wohl in einem Schubfach des Krematoriums, dort darauf wartete, an die Reihe zu kommen. Vollkommene Stille um sich herum.
    Manche bestellten kleinere Mahlzeiten, mexikanische Essfolk­lore oder

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