Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
wiederholtes und seiner Natur nach unverkennbares Röhren, das aus dem besagten Kämmerchen drang, schien Schneckenburgers Befund zu bestätigen.
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In Grinzing und den anderen Heurigenorten ging es an diesem Abend etwas ruhiger zu als sonst. Wahrscheinlich hatten die vielen Menschen, die an der Demonstration teilgenommen hatten – die Polizei sprach von 120.000 Teilnehmern –, es vorgezogen, gleich in der Stadt zu saufen.
Nach Absingen der Bundeshymne waren die Massen mehr oder weniger bewegt in den verschiedenen Pubs, Kneipen und Discos verschwunden. Um auf ihre höchstpersönliche Weise weiter zu trauern.
Die geniale Idee, die Leute nach Beendigung der Demonstration sicherheitshalber zwei Strophen lang abkühlen zu lassen und damit mögliche abschließende Rüpeleien zwischen den verschiedenen Gruppierungen zu verhindern, stammten von Professor Doktor …, wie war der Name noch? Na, Sie wissen schon, der immer dabei war, wenn es im Fernsehen etwas zu diskutieren gab.
Egal, der etwa 35-jährige Mann mit dem riesigen Rosenstrauß, der in Grinzing von einem Lokal zum anderen wanderte und seine Blumen zum Stückpreis von 3,50 Euro verkaufte, ab fünf Rosen holte er auch eine Vase herbei, natürlich kostenlos, war nicht unzufrieden. Um ehrlich zu sein, heute war er vor allem unterwegs, um auf andere Gedanken zu kommen. Sich abzulenken von dem, was gestern geschehen war und was er gar nicht gewollt hatte. Beim Gedanken daran füllten sich seine Augen mit Tränen. Dabei hielt er Ausschau nach jemandem, mit dem er sprechen konnte. Vorzugsweise ein weibliches Wesen, eine Frau wie seine Mutter. Der er erklären konnte, dass das am Vortag nur ein Unfall gewesen war und er das gar nicht gewollt hatte. Wirklich nicht.
Später, als er seine Blumen zur Gänze losgeworden war, folgte er dieser netten älteren Dame, die ihm heute, nein, es war ja schon nach Mitternacht, die ihm gestern Abend 2 Euro Trinkgeld gegeben hatte. Dazu hatte sie zu der neben ihr sitzenden Frau bemerkt, dass ›der junge Mann‹ sie an ihren Sohn erinnere. Er hatte das ganz genau gehört.
Die Frau, die durch die Managettagasse ging, vernahm die Schritte hinter sich und begann, sich schneller zu bewegen. Anscheinend bekam sie es langsam mit der Angst zu tun. Angst vor ihm, dachte Arthur, das war doch lächerlich. Wo er sie doch an ihren Sohn erinnerte.
Vielleicht sollte er trachten, schnell zu ihr aufzuschließen, damit sie keine Angst mehr haben musste. Er begann zu laufen.
5.
Donnerstag, 24. Oktober – untertags
Der Tag begann sehr früh und auch sehr hektisch. Vor allem für Arthur Passwenger. Gegen 6 Uhr morgens standen zwei Kriminalbeamte vor der Tür der Gemeindewohnung im geschichtsträchtigen Karl-Marx-Hof, in der Yvonne Passwenger mit ihren beiden Kindern Sylvia, 17, und Arthur, 34, logierte.
Gegen den fast schon an Handgreiflichkeiten und damit an Widerstand gegen die Staatsgewalt grenzenden Protest der Mutter wurde ihr Liebling aus dem Bett geholt. Dann versuchte sie, wie eine tollwütige Glucke Arthurs kurzen Aufenthalt im Badezimmer und die Ankleidungsphase abzuschirmen. Nicht, weil sie sich davon weiß Gott was erwartet hätte, sondern aus reinem Widerspruchsgeist. Um den Bütteln des Staates zu zeigen, wer bei ihr zu Hause als Einzige das Sagen hatte.
Nachdem sie erkannt hatte, dass sie mit ihrer herrischen Art gegen die beiden Beamten nicht wirklich ankam, versuchte Mama Passwenger es mit Bestechung. Sie lud die Vertreter der Staatsmacht zu einem Frühstück ›mit allen Schikanen‹, wie sie es nannte, ein und konnte mit zwei angenommenen Häferln Kaffee zumindest einen Teilerfolg verbuchen.
Dann half aber nichts mehr, alle Optionen, die Abholung ihres Arthurs weiter hinauszuschieben, waren ausgeschöpft, und den beiden blieb nur ein tränenreicher Abschied.
Im Stiegenhaus meinte der Festgenommene, dass das nun einmal Mamas Art wäre und man ihr das nicht übel nehmen durfte. Mit einem gewissen Aufatmen stellte er fest, dass es gut sei, endlich einige Zeit ›aus diesem Mief herauszukommen‹. Dann wollte er wissen, ob man ihn wegen der Sache mit der Dame in Grinzing verhaftet habe. Die beiden Beamten blickten sich vielsagend an, gingen aber nicht näher auf den Grund ihres frühmorgendlichen Besuchs ein.
»Hierbei handelt es sich um keine Verhaftung«, stellte der Dienstältere der beiden fest, »sondern wir begleiten Sie lediglich zu einer Zeugenbefragung. Alles Weitere wird Ihnen der Herr Chefinspektor
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