Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
»Darf ich Sie fragen, wie Ihre Beziehung zu dieser Marika ist?«
»Falls man die wenigen Augenblicke, die ich mit der Dame«, so, wie die Asbinova dieses Wort betonte, klang es wie ein Schimpfwort, »zu tun hatte, eine Beziehung nennen möchte, dann war diese sehr schlecht. Sie ist ein anmaßendes, intrigantes, verzogenes, mieses kleines Stück Scheiße.«
Das war schon sehr … offen, unverblümt, ja, … erstaunlich, auf jeden Fall aber ehrlich. Auch wenn die Antwort politisch sicher nicht ganz korrekt war.
»Einmal hat sie zu mir gesagt, dass ich mir gar keine Hoffnung auf das Geld ihres Vaters machen brauchte«, fuhr die Physiotherapeutin fort. »Sie würde schon zu verhindern wissen, dass ich auch nur einen Euro mehr als mein normales Honorar aus ihm heraushole.« Das habe damals bedrohlich geklungen, merkte sie an. »Obwohl Marika zu diesem Zeitpunkt gar nicht gewusst haben konnte, dass Wilhelm und ich …« Das verschämte Didelidum, didelidei von Frankas Handy veranlasste Frau Asbinova, den Satz unbeendet zu lassen. Vorläufig zumindest.
Ein Blick auf das Display verriet der Oberinspektorin, dass es sich um einen Anruf ihres Göttergatten handelte. Und der rief sie auf dem Dienstapparat nur an, wenn die Dringlichkeit und die Wichtigkeit der entsprechenden Angelegenheit sehr hoch war.
»Ja«, meldete sich Franka knapp, hörte dann konzentriert zu, verzog überrascht das Gesicht und sagte: »Das darf doch nicht wahr sein. Ich komme sofort.«
Den beiden erwartungsvoll blickenden Leuten an ihrem Tisch teilte sie achselzuckend mit, wie sehr sie es bedauerte, »Sie zwei mit dem Wolfsbarsch in der Salzkruste allein lassen zu müssen. Tut mir leid, aber ich muss sofort weg. Ein höchst außergewöhnlicher Autodiebstahl wurde eben gemeldet. Aber wir sollten unbedingt noch weiter miteinander sprechen«, wandte sie sich an Frau Asbinova. »Was halten Sie von morgen Vormittag, 10 Uhr? Kommen Sie doch bitte aufs Kommissariat.« Und speziell an Palinski gerichtet fuhr sie fort: »Auch wir müssen unser Thema später ausdiskutieren. Tut mir leid.«
»Ja, aber …«, Mario war leicht irritiert, da ihm eben die Regie entglitten war. »Autodiebstahl, das ist doch keine Aufgabe für die Kripochefin des Koats Hohe Warte«, stellte er nicht ganz unberechtigt fest.
»Normalerweise nicht«, bestätigte die Oberinspektorin. »Wenn sich aber wie in diesem Fall angeblich eine Leiche im Kofferraum befinden soll, sieht das etwas anders aus.«
6.
Donnerstag, 24. Oktober – nach 16 Uhr
Ministerialrat Dr. Miki Schneckenburger, der von seinem neuen, etwas introvertierten und misstrauischen Chef ständig krass unterfordert wurde, hatte eine neue Leidenschaft entdeckt. Eine Tätigkeit, der heute keinerlei Exklusivität mehr anhaftete, ganz im Gegenteil. Das war aber nicht immer so und noch vor einigen Jahren sogar ganz anders gewesen. Surfen im Internet nannte sich diese Leidenschaft, also die Erforschung auch der letzten Abgründe des World Wide Web von seinem Schreibtisch im Innenministerium aus. Eine wunderbare Sache, die sich noch dazu hervorragend als innovative Aufgabenstellung und ebensolche Pflichterfüllung darstellen ließ. Solange er der gelegentlichen Versuchung, auch einmal auf das reiche Spektrum pornografischer Angebote einzugehen, widerstand.
Am liebsten trieb sich Miki dort herum, wo gechattet und gepostet wurde, wo sich mehr oder weniger Wahnsinnige versteckt hinter mitunter höchst skurrilen Nicknames die unverschämtesten Sachen unverblümt um die Ohren hauten.
Besonders viel Spaß machte es dem Ministerialrat im Moment, sich mit den geistigen Absonderungen auseinanderzusetzen, die das Thema Nummer eins, ›Nora, der Eiserne Besen – Politmord ja oder nein?‹, bei den Usern und Userinnen ausgelöst hatte. Mein Gott, was da für ein Schrott verzapft wurde. Sigmund Freud würde wohl alles über diese Spinner wissen, dachte Schneckenburger in einem Anflug von Zynismus. Er selbst wusste nur wenig, aber das reichte ihm.
Da waren einerseits die Verschwörungstheoretiker, die nicht nur eine simple, politisch motivierte Tat in der überhitzten Atmosphäre vor einer wichtigen Wahl annahmen, sondern gleich einen ersten Schritt auf dem Weg zur Vernichtung der Menschheit darin vermuteten. Und was für ungemein originelle Argumente dafür teilweise angeführt wurden. Jeden Autor politischer Thriller hätte der pure Neid gefressen.
Andererseits waren aber auch die Kommentare der permanent brunftigen
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