Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
Selbstwertgefühl wiedergeben.
Vorsichtig drückte er die eine Taste links, in der Hoffnung, irgendwo den Befehl ›Löschen‹ zu finden. Aber vergebens. Dafür zeigte ihm das Display an, dass in den unergründlichen Tiefen seines Mobiltelefons eine zweite Nachricht darauf harrte, zur Kenntnis genommen zu werden.
Komisch, deren Eingang war ihm ganz entgangen. Na ja, aufs Klo vorhin hatte er das gute Stück schließlich nicht mitgenommen.
Da er sich noch gut an die vorangegangenen Anweisungen Harrys erinnern konnte, gelang es Palinski nach acht Minuten, die Nachricht sichtbar zu machen. Sie stammte von Vera Asbinova und lautete kurz und bündig: ›Was Sie noch wissen sollten: Nach Aussage von Wilhelm hat Marika Sanders mehr als 120.000 Euro veruntreut.‹
Das klang interessant, und Palinski wollte mehr darüber erfahren. Arbeit war sicher die beste Therapie, um sein geknicktes Ego wieder aufzurichten. Und so rief er einfach die im Display ausgewiesene Nummer an. Eine SMS, die er ohnehin nicht zusammengebracht hätte, wäre doch viel zu unpersönlich gewesen.
*
Inzwischen war die Suche nach dem gestohlenen Pkw Mercedes 200 D, Baujahr 1983, mit dem Kennzeichen ›W 12 344 L‹ auf das ganze Bundesgebiet ausgedehnt worden. In der entsprechenden Suchmeldung wurde darüber hinaus ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich im Kofferraum dieses Wagens aller Voraussicht nach eine weibliche Leiche befand. Die Kolleginnen und Kollegen wurden gebeten, im Falle des Gebrauchs einer Schusswaffe ebendiesen Kofferraum nicht zu treffen, um die noch ausstehende Arbeit des Gerichtsmediziners nicht unnötig zu verkomplizieren.
Weiters wurde besonders darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei dem oder den Dieben des Fahrzeuges nicht gleichzeitig auch um den oder die Mörder der im Kofferraum liegenden Leiche handelte. Und dass auch nicht mit Sicherheit feststand, ob der oder die Insassen des Wagens von dem grausigen Inhalt des Kofferraumes wussten.
Chefinspektor Helmut Wallner und seine Frau Franka, ihres Zeichens Oberinspektorin und Leiterin der Kriminalpolizei im Kommissariat Hohe Warte, saßen nach mehreren Tagen wieder einmal gemeinsam bei einer Mahlzeit. Nicht zu Hause, wo sie sich außer zum Schlafen schon länger nicht getroffen hatten, sondern in einem kleinen Beisl in der Nähe des Polizeipräsidiums. Das Lokal war für seine Alt-Wiener Spezialitäten berühmt und damit verantwortlich dafür, dass Blutdruck und Cholesterinspiegel des Chefinspektors wie auch die vieler seiner Kollegen langsam besorgniserregende Höhen annahmen. Kein Wunder, bei dem Kalbsbraten mit mitgebratenen, vom eigenen Fett eingeschlossenen Niernderln. Köstlich, eine Sünde, für die Wallner zu morden bereit gewesen wäre. Natürlich nur im übertragenen Sinne des Wortes.
Franka, die die kulinarischen Auswüchse ihres Helmut natürlich nicht sehr gern sah, aber wusste, dass sie mit ihren Argumenten für eine gesunde, ausgewogene Ernährung in stressreichen Zeiten wie diesen keine Chance hatte, begnügte sich dagegen demonstrativ mit einer vegetarischen Krautroulade mit Polentaschnitte.
Und worüber sprach das wohl hochrangigste Kriminalistenpaar des Landes, wenn es endlich einmal eine halbe Stunde ganz für sich hatte? Erraten, über die aktuelle Arbeit.
Was nach krankhaftem Engagement, nach Workaholismus im Endstadium aussah und unter normalen Umständen zweifellos auch gewesen wäre, fand in der konkreten Situation seine sachliche Rechtfertigung im zeitlichen Zusammentreffen der beiden, nein, eigentlich drei aktuellen Fälle.
Da war einmal der Mord an Nora Bender-Nicerec, der inzwischen eindeutig politischen Charakter angenommen hatte, unabhängig davon, aus welchen Motiven die Tat verübt worden war. Und obwohl inzwischen 13 Personen festgenommen und zum Teil auch schon einvernommen worden waren, die im Verdacht standen, auf die eine oder andere Art und Weise mit dem Fall zu tun zu haben, war weit und breit noch keine Aufklärung in Sicht.
Dennoch bestand der Minister weiter nachdrücklich darauf, in der offiziellen Diktion von einem ›ordinären Verbrechen‹ zu sprechen.
Quasi als verbindendes Element zwischen den Eheleuten stellte sich der Fall Liliane Schambuch dar. Der Mann hatte einen geständigen Täter an der Hand, die Frau suchte die dazugehörende Leiche, die sich in einem gestohlenen Pkw befand. Die Situation entbehrte nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik.
Aber auch der dritte Fall, der eigentlich der zweite
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