Pizza Letale: Palinskis elfter Fall
Versuch blieb erfolglos. Na, dann würde er Franka eben beim Zimmermann ein paar Minuten zur Seite nehmen müssen, um sie auf den letzten Stand zu bringen. Und zu hören, was die Polizei inzwischen herausgefunden hatte.
Grissly musste er auch wieder einmal sprechen. Da hatte sich doch einiges getan, seit Lorenzo aus der U-Haft entlassen worden war. Aber der Herr Doktor war unterwegs.
Gut, im Moment gab es ohnehin keinen Handlungsbedarf für den Anwalt. Das Recherchieren lag bei Matula, also bei Palinski selbst. Und überhaupt, soweit er es beurteilen konnte, war der jüngste Bertollini-Bruder inzwischen sowieso aus dem Schneider. Zumindest, falls seine Theorie über Motiv und Tathergang auch nur annähernd zutraf.
Die Unterlagen, die er sich von Vera Asbinova ›ausgeborgt‹ hatte, lagen vor ihm auf dem Tisch und wirkten wie eine einzige Anklage. Sein Schuldbewusstsein hielt sich inzwischen aber in Grenzen. Er hatte zwar nach wie vor keine Ahnung, wie er sich der belastenden Papiere gefahrlos wieder entledigen konnte, in dem Zusammenhang aber auch einige nicht uninteressante Anrufe getätigt und Überlegungen angestellt.
Vielleicht sollte er die Zeit endlich doch für einen Blick auf diese Postings im Internet nutzen, auf die sein Freund Schneckenburger so versessen zu sein schien. Miki würde ihn sicher heute Abend darauf ansprechen, und da gebot es langsam schon die Höflichkeit, diesmal etwas anderes als eine ausweichende Antwort bereitzuhaben.
Palinski drückte den ›Power‹-Knopf seines PCs, dann stand er auf und schlenderte zur Espressomaschine.
Er liebte dieses Modell vor allem wegen des herrlichen Cappuccinos, der sich damit zubereiten ließ. Und dann dieses betörende ›Hchchchchch‹, dieses vitalisierende Geräusch, das entstand, sobald heißer Dampf unter hohem Druck durch Milch geleitet wurde und diese zum Schäumen brachte. Göttlich, ein Cappuccino von dieser Maschine war genau das, was er jetzt brauchte. Das Gefühl, das ihn allein beim Zubereiten erfüllte, bekam auf einer Wohlfühlskala von eins bis zehn eine glatte Acht, mindestens.
Als das köstliche Gebräu fertig war, zog sich Palinski damit in den bequemen alten Ohrenfauteuil zurück, den er irgendwann einmal auf einem Flohmarkt gefunden und dann neu tapezieren hatte lassen. Allein für das, was er für die neue Polsterung bezahlt hatte, hätte er in einem dieser monströsen Möbelmärkte eine komplette Wohnzimmereinrichtung bekommen. Aber das gute Stück war jeden Euro wert, den er hineingesteckt hatte.
So, jetzt wollte er nur in Ruhe seinen Kaffee trinken und ein paar Minuten ausspannen, ehe er sich endlich den Kommentaren zum Bender-Nicerec-Mord im Internet widmete. Vielleicht war ja doch etwas dran an dem, was Schneckenburger behauptete.
*
Kurz nach 19 Uhr beobachteten die beiden Kriminalbeamten, die von Franka Wallner mit der Überwachung Marika Sanders betraut worden waren, wie eines dieser paradeissugoroten Lieferautos mit der poppig gelben Aufschrift ›Pizzakönig – 12 × in Wien‹ vor dem Haus in der Hameaustraße anhielt. Nachdem eine Person im knallgelben Overall und einer ebensolchen Mütze auf dem Kopf mit einem Karton in der Hand ausgestiegen war, fuhr der Wagen einige Meter weiter und parkte in eine freie Lücke ein.
»Ich weiß net, was die Leute an aner Pizza so toi findn«, quengelte Franz Broscheit, der ältere der beiden Observanten. »Ich maan, der Tag is hort, des Zeig drauf schmeckt a bissl södsam, und des woas dann a scho. Oiso mir is a Schnitzlsemml ollemoi liaba. Wos sogst du, Rudi?«
Rudolf Remscheider hatte ein Jusstudium begonnen, dann eines in Soziologie und Geodynamik, und sich nach Abbruch sämtlicher Brücken zur Universität dem Polizeidienst zugewandt. Dennoch oder vielleicht gerade deshalb genoss er bei den Kollegen den Ruf, so eine Art Studierter zu sein. Einen Ruf, den er durchaus pflegte und daraus so eine Art Primus-inter-Pares-Stellung für sich ableitete.
»Nun, eine gute Pizza ist schon eine feine Sache«, entgegnete er in astreinem Hochdeutsch. »Aber die Cucina Italiana«, der Terminus technicus in der Originalsprache rollte ihm wie ein Schluck Olio di Oliva – extra vergine über die Zunge, »hat weit raffiniertere Köstlichkeiten zu bieten. Wenn ich da an dieses Osso bucco damals in Tricesimo denke oder diese hervorragende Fegato alla Veneziana in … na, in Venedig eben, das waren einsame kulinarische Höhepunkte meines Lebens.«
Franz war von Rudis Eloquenz echt
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