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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Energiekonsortium. Aber da stimmte vieles nicht.«
    »Sehen Sie, Herr Wegener, wir waren heute Abend hinter der gleichen Person her, hinter Gabriel Opitz. Und wir haben ihn beide nicht bekommen.«
    »Sie haben ihn nicht?« Wegener starrte Bürger an. »Ihre Leute haben Opitz doch vor unseren Augen entführt, in zwei schwarzen Datschas!«
    »Die schwarzen Datschas gehörten nicht zu uns.« Bürgers Stimme klang plötzlich gequetscht. Als ob ihm jemand den Hals zudrückte. Er räusperte sich. »Das war ein Zugriffskommando der Staatssicherheit.«
    Es kribbelte. Das Kribbeln stieg aus dem Magen durch die Speiseröhre in Wegeners Mund, rutschte unter die Zunge, wurde zu einem Brauseprickeln, das nicht mehr aufhörte.
    »Die haben Gabriel jetzt. Und die werden ihn umbringen und als Täter präsentieren. Um sich selbst vor den Augen der westlichen Öffentlichkeit vom Mordvorwurf an Hoffmann zu entlasten.«
    Wegener legte den Kopf in den Nacken. Der Himmel war dunkel und klar. Überall helle Sternenpunkte. »Das macht keinen Sinn.«
    »So?«
    »Wir wissen, dass die Mörder improvisieren mussten«, sagte Wegener. »Hoffmann trug keine normalen Schuhe, ausschließlich Slipper, auch am Tag seines Todes. Ohne Schnürsenkel kein Schnürsenkel-Zusammenbinden. Einer der Täter hat mit Hoffmann die Schuhe getauscht, und über diese Schuhe werden wir ihn kriminaltechnisch einwandfrei identifizieren. Westdeutschland schaut uns bei den Ermittlungen genau über die Schulter, und Westdeutschland muss sich hinterher vor ganz Europa verantworten. In dieser Geschichte kann nichts gezinkt werden.«
    »Es muss auch nichts gezinkt werden.« Bürger zog seinen Schal fest um den Hals. Wie einen Strick. »Gabriel Opitz hat Hoffmann umgebracht. Es war nicht die Staatssicherheit, Herr Wegener, Ronny Gruber hat die Wahrheit gesagt: Wir waren es.«
    Ihr seltsamen Sterne, ihr habt schon alles gesehen, dachte Wegener und ließ die hellen Punkte am Nachthimmel vor seinen Augen verschwimmen, ihr habt schon Jahrtausende Anschauungsunterricht in globalem Intrigentum, keine Sauerei, die euch entgangen wäre, ihr lasst euch nicht so schnell aus der Ruhe bringen wie wir hier unten, die aufgekratzten Ameisen mit der eingebauten Endlichkeit, ihr lächelt da oben vor euch hin über diese dämliche Hoffmann-Episode, über die popeligen Machtträume wirrer Eintagsfliegen, über das ganze kindische Versteckspiel, über Martin, den Unwissenden, einen Kriminalkasper, der spätestens jetzt zu den besten der Polizeigeschichte gehören dürfte, ihr strahlt vor Spott, das ganze Sternenzelt verhöhnt uns Nacht für Nacht aufs Neue.
    »Wir kämpfen für Demokratie. Nicht für demokratischen Sozialismus. Oder Posteritatismus.« Bürger spuckte das Wort aus, als hätte er auf etwas Bitteres gebissen. »Es gibt keinen demokratischen Sozialismus. Der Sozialismus funktioniert nicht. Weil er nicht funktioniert, laufen ihm die Leute weg. Weil sie ihm weglaufen, werden sie eingesperrt oder erschossen. Also kann man den Sozialismus nicht demokratisieren. Denn dazu müsste er erst einmal funktionieren. Was er nicht tut und niemals tun wird. Ein Teufelskreis, den jeder bemerkt, der nicht zwanghaft die Augen zusammenkneift. Die Menschheit sollte irgendwann anfangen, ihre Utopien in den Bücherschrank zu räumen.«
    »Einige räumen sie rein«, sagte Wegener schwach, »und ihre Kinder holen sie wieder raus.«
    »Das ist wohl so. Aber das heißt nicht, dass man dabei zusehen muss.«
    »Und Hoffmann?«
    »Hätte lebensverlängernde Maßnahmen für die DDR bedeutet statt Sterbehilfe. Hätte neuen Glauben unter die unbelehrbaren Träumer und pathologischen Optimisten gesät. Gysi wäre der neue Krenz geworden, noch ein bisschen westlicher, noch ein bisschen moderner, Duzfreund von Bundeskanzler Lafontaine, ich seh sie schon gemeinsam grinsen auf den dpa-Fotos, die siamesischen Zwillinge des Sozialismus, wir stehen für soziale Gerechtigkeit, blabla, diese ahnungslosen Egoisten, die sich an ihren vermeintlichen Prekariats-Großtaten berauschen und zwei komplette Länder für romantische Gehirngespinste opfern würden, und im Klartext hieße das, hier bleibt alles beim Alten, noch mal zwanzig, dreißig Jahre Arbeiter- und Bauernstaat, wer weiß, wie lange Gysi es macht. Das kann sich dieses Land nicht leisten.«
    Wegener sah auf den Boden.
    »Wir haben einflussreiche Helfer«, sagte Bürger. »In der Sozialistischen Union, in der Europäischen Union, in den USA. Helfer in Regierungen, in

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