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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Weltkonzernen, in den Medien.«
    »Zum Beispiel beim SPIEGEL.«
    »Zum Beispiel. Wenn dort ein Informant mit einer Hinrichtungsgeschichte aufläuft, dazu spektakuläre Fotos von geknoteten Schnürsenkeln und Galgenstricken, dann hört man ihm sehr aufmerksam zu.«
    »Wer ist dieser Informant?«
    »Einer der vielen Überläufer, die dieses Land produziert. Und zack, ist die Stasi für Hoffmanns Tod verantwortlich.«
    »Sie wollten die Stasi belasten, um die Konsultationen zu verhindern.«
    Bürger nickte. »Wir schlagen gern mehrere Fliegen mit einer Klappe. Hoffmann tot, der Gysi-Putsch abserviert, die Konsultationen vom Tisch, die Stasi denunziert, das Land übermorgen pleite. Krenz wird vom Hof gejagt, die Demokratie bekommt eine Chance. Keine ideologische und keine wirtschaftliche Basis für eine Fortsetzung der DDR. Sind Sie nicht auch der Meinung, dass diese Aussicht den Tod von Albert Hoffmann rechtfertigt? Ein achtzigjähriger Erhängter für 14, 5 Millionen Mal Freiheit?«
    »Das muss ich nicht entscheiden«, sagte Wegener, »weil es ja doch nie so ausgeht, wie man denkt.«
    »Haben Sie zufällig Premieren-Karten für Red Revenge ?«
    »Was?«
    » Red Revenge , mit Sahra Wagenknecht. Gehen Sie zur Premiere?«
    »Nein.«
    »Lassen Sie es sein. Der Film ist nicht gut. Auf Wiedersehen.«
    Wegener stand auf. Sein Hintern war nass. »Ein paar Fragen habe ich noch, Herr Bürger.«
    Der Kleine sah aus, als freue er sich über diese Anrede, als frage er sich, wie es wohl wäre, tatsächlich Alexander Bürger zu sein und nicht nur so zu tun, bei dubiosen Gesprächen in stillgelegten Vergnügungsparks.
    »Nämlich?«
    »Ich wurde in den letzten sieben Tagen überwacht.«
    »Seit heute besteht dazu kein Anlass mehr. War’s das?«
    »Noch nicht ganz.« Wegener ging auf Bürger zu. »Als Gabriel Opitz und seine Helfer Hoffmann umgebracht haben, warum musste das an dieser Stelle sein?«
    »Was meinen Sie mit dieser Stelle?«
    »Den Tatort. Die Pipeline.«
    »Warum ist das wichtig, Herr Wegener.«
    »Was ich wichtig finde, entscheide ich selbst.«
    Das weiße Gesicht blieb starr. »Hoffmann wurde am 17 . Oktober von Gabriels Cluster überwacht, genau wie in den Wochen zuvor. Wir warteten auf eine Gelegenheit. An dem Tag war er erst stundenlang in einem Feierabendheim in Heinersdorf, dann ist er in den Wald gefahren.«
    »Was für ein Feierabendheim in Heinersdorf?«
    »Feierabendheim Alpha. Ein Haus für SED-Senioren.«
    »Und dann ist er selbst zum Müggelsee gefahren.«
    »Das habe ich ja gerade gesagt. Gabriel rief aus dem Wald an. Hoffmann wollte einen Spaziergang machen. Besser konnten wir es nicht treffen.«
    Wegener knöpfte seine Jacke zu. »Von wem wussten Sie so detailliert über Hoffmanns und Gysis Putschpläne Bescheid?«
    »Von Ronny Gruber.«
    »Das ist nicht Ihr Ernst.«
    »Doch. Und die spannende Frage, woher Ronny seine Informationen hatte, können wir uns jetzt wohl beide selbst beantworten.«
    »Von der Stasi.«
    »So sieht es aus.«
    Der Mann, der Alexander Bürger war oder auch nicht, streckte seine Hand aus, und Wegener nahm sie, drückte sie genauso kurz wie vorhin, dann drehte Bürger sich um und ging auf das Riesenrad zu, bis seine zierliche Gestalt in der Dunkelheit verschwand.
    Zwei Minuten lang war nichts zu sehen, nichts zu hören.
    Dann näherten sich Schritte.
    Aus drei unterschiedlichen Richtungen.
    »Es geht jetzt zurück nach Mitte, Herr Wegener.« Die Männerstimme. Der Sprecher des Terzetts. »Bitte überlassen Sie uns für die Dauer der Fahrt den Akku Ihres Minsk. Es würde ohnehin nichts bringen, Ihre Kollegen zu verständigen. Hier ist dann niemand mehr.«
    »Wo lasst ihr mich raus?«
    »Das können Sie sich aussuchen.«
    »Dann fahrt mich zum ›Molotow‹.«
    »Hoffentlich haben Sie genug Geld dabei.« Das Terzett lachte.
    »Und vorher zur Bank.« Wegener atmete ein. Atmete aus. Für ein paar Sekunden drückte die Stille des Parks so schwer gegen seinen Schädel wie die brutale Ruhe des weißen Raums, kein Gondelquietschen, kein Blätterrauschen, kein Laut. Ein einsamer schwarzer Vogel schwebte über den Platz, verschwand hinter den Bäumen, war jetzt vermutlich schon über der Spree, folgte dem breiten glitzernden Band durch Treptow, durch den Osthafen in Richtung Mitte, flog immer weiter in die warme, diesige Lichtsmog-Wolke hinein, die über der Stadt schwebte, die über Hochhäusern, Plattenvierteln, Altbauten, Türmen und Kuppeln hing wie ein fahler Heiligenschein, abgesondert

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