Plan D
hauptberuflich Bombenterror organisiert.«
»Ich denke, wir müssen uns nichts vormachen, Herr Wegener. Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Im Paradies mag das zutreffen, in den simplen Moralen auch, aber nicht auf unserem Planet Global Terror . Einen Unrechtsstaat, der sein Volk einsperrt, können Sie nur bekämpfen, indem Sie gezielt gegen seine Regeln verstoßen. Wer sich mit den offiziell zugelassenen Mitteln begnügt, will einen Märtyrer aus sich machen, keinen Sieger.«
»Sie klingen, als müssten Sie sich rechtfertigen.«
»Ich klinge, als müsste ich immer wieder mit Leuten reden, die ein Untertanenleben führen, die also gar kein Bewusstsein dafür entwickeln konnten, was die tatsächlichen Privilegien und Pflichten eines Staates sind. Erwachsene Kinder, denen verschwiegen wurde, welche Macht sie besitzen.«
»Das alte Dilemma der Subversiven«, sagte Wegener. »Um dem Feind des Volks auf Augenhöhe zu begegnen, müssen Sie seine Gestalt annehmen. Heraus kommen zwei Feinde des Volks.«
»Sie vergessen einen entscheidenden Unterschied. Wir sind menschlich, Herr Wegener, die Stasi ist es nicht.«
»Sie fangen ja auch gerade erst an. Warten wir mal, was in sechzig Jahren aus Ihrem Laden geworden ist.«
Bürger lachte. »Ich hoffe, so lang dauert unser Kampf nicht. Lassen Sie mich etwas erklären. Es gibt in Ländern wie der DDR drei Menschensorten: die Unterstützer des Systems, die Untätigen und die Widerständler. Ein Widerständler wird immer Fehler machen, zweifelsohne, massive Fehler sogar. Aber keiner dieser Fehler wird jemals so schwer wiegen wie die Fehler der Untätigen und der Unterstützer.«
»Nicht mal, wenn der Fehler ein Mord ist?«
»Nicht mal dann.« Bürger sah Wegener in die Augen. »Sind Sie etwa ein verkappter Moralist, Herr Hauptmann?«
Wegener schüttelte den Kopf. »Daneben. Ich bin höchstens ein verkappter Pragmatiker. Ob Ihr Kampf gerechtfertigt ist oder nicht, das müssen die Opfer Ihres Kampfes entscheiden, Herr Bürger. Was Terrorismus bewirkt, können wir jetzt schon feststellen, gerne gemeinsam: immer das exakte Gegenteil dessen, was er erreichen will.«
»Und was schließen Sie daraus?«
»Ich schließe daraus, dass es auch im 21 . Jahrhundert noch fanatische Eitelkeit und feuchte Heldenträume ideologieanfälliger, weil ungebildeter junger Männer gibt.«
»Der Terrorismus als maskuline Hormonverwirrung, interessant.«
»Interessant, weil wahr.«
»Es geht nie um die Sache? Immer nur darum, sich in den Mittelpunkt zu schießen? Und die Widerstandskämpfer im Dritten Reich? Waren das auch eitle Halbstarke, die ein bisschen Bewunderung abstauben wollten?«
»Die Legitimität von gewaltsamem Widerstand gegen ein System entscheidet sich an einem sehr konkreten Punkt, Herr Bürger: Gilt diese Gewalt den Schuldigen oder den Unschuldigen? Gilt sie dem Führer oder dem Volk?«
»Sie halten ein Volk, das sich nicht gegen einen Führer wehrt, für unschuldig?«
»Ich halte den Führer für den Schuldigen schlechthin, deshalb sollte man auch die Eier haben, ihn persönlich ranzunehmen, anstatt es sich mit Attentaten auf die Allgemeinheit leicht zu machen. Stauffenberg hat heute noch die Unterstützung der ganzen denkenden Welt, die Taliban werden sie auch in 100 0 Jahren noch nicht haben.«
»Da muss ich Ihnen Recht geben.«
»Warum schießen Sie Krenz nicht einfach in den Kopf?«
Bürger lachte wieder. »Vielleicht arbeiten wir ja längst daran.«
»Dann wünsche ich viel Erfolg.«
»Da haben wir ja doch noch einen gemeinsamen Nenner gefunden.« Bürger klopfte Wegener noch mal auf die Schulter, jetzt kräftiger. »Nun müssen wir uns nur noch im Informationsbereich handelseinig werden.«
»Dann nennen Sie mir nicht nur den Täter, nennen Sie mir auch die Hintergründe. Sagen Sie mir die volle Wahrheit über Hoffmann und seine Mörder.«
»Tut mir leid, aber das geht nicht.«
»Warum geht das nicht?«
»Das sind Informationen, aus denen wir gern noch ein paar Vorteile ziehen würden, dafür haben Sie sicher Verständnis.«
Wegener blieb stehen.
Bürger blieb ebenfalls stehen.
»Die Wahrheit über Albert Hoffmann«, sagte Wegener, »und Sie bekommen die Wahrheit über Ronny Gruber.«
Bürgers Kopf ruckte herum. Seine krumme Nase wurde im Mondlicht zu einem dürftigen, leicht verbogenen Schnabel. Jetzt ist er eine bewegungsunfähige zarte Taube, dachte Wegener, die nicht mal panisch wegflattern kann vor lauter Verblüffung.
»Also?«
Bürgers dunkle Augen
Weitere Kostenlose Bücher