Plan D
waren halb geschlossen. »Woher kennen Sie Ronny Gruber?«
»Werden wir uns handelseinig?«
Die Taube legte den Kopf schief und fixierte ihr Gegenüber. »Gut.«
»Gut heißt ja.«
»Ja.«
»Welches Detail der Ermittlungen wollen Sie wissen?«
Bürger ging langsam weiter. »Fangen wir mit Ronny Gruber an.«
»Ich dachte, es gibt da ein Faktum, das Sie so brennend interessiert.«
»Meinetwegen. Sind bei Ihren Durchsuchungen brisante Dokumente aus Hoffmanns Zeit im Beraterstab aufgetaucht?«
»Nein.«
»Das wollte ich wissen. Was ist jetzt mit Ronny Gruber?«
»Ronny Gruber hat sich der Polizei als Kronzeuge zur Verfügung gestellt und die Brigade des Mordes an Hoffmann beschuldigt. Wir hatten von Anfang an unsere Zweifel. Dann hat sich herausgestellt, dass Gruber seit Jahren bei der Stasi war, er wurde dort als IM Hermes geführt. Sie hatten die ganze Zeit einen Doppelagenten in Ihren Reihen, Herr Bürger. Einen Doppelagenten, der Ihren Leuten einen Mord anhängen will, um die Stasi zu entlasten.«
Bürger senkte den Kopf, faltete die Arme hinter dem Rücken, schlenderte stumm, grübelte Minute um Minute, damit hat er nicht gerechnet, dachte Wegener, mit allem, aber damit nicht.
Der Weg öffnete sich, wurde zu einem runden, zugewucherten Platz, auf den das einsame Vollmondauge herunterglotzte wie ein verdatterter Zyklop. Rechts ging es zu den Schwanenbooten, links zum Riesenrad, geradeaus zur nächsten Minibahn-Station, zum Toilettenhaus, zum Karussell, zum Softeisstand, Vanille, Erdbeere, Schokolade, Baltische Blaubeere, 5 Pfennig die Kugel. 1963.
»Sie wissen wahrscheinlich, dass Hoffmann in Wandlitz gearbeitet hat«, sagte Bürger schließlich mit unveränderter Stimme, »verdeckt, sozusagen.«
»Wissen wir.«
»Aber Sie wissen nicht, was er da wollte.«
»Leider nein.«
»Hoffmann hatte in Wandlitz einen Stammkunden. Dieser Mann ist ein ganz besonderer Rosenfreund.«
Wegener nickte. »Kulturstaatssekretär Dr . Gert Wanser. Wurde überprüft.«
»Anscheinend nicht genau genug. Sonst wäre Ihnen aufgefallen, dass Wanser während seines Jurastudiums an der Humboldt Gregor Gysis Kommilitone war und später sein Freund wurde, sein politischer Vertrauter. Und dass sich Hoffmanns Einsätze in Wansers Rosengarten so gut wie immer mit Gysis freien Arbeitsvormittagen im Regierungsquartier gedeckt haben.«
Wegener sah den kleinen Mann an. Das Mondlicht kam von schräg oben und machte sein schmales Gesicht zu einer filigranen, schneeweißen Maske mit dunklen Augenhöhlen.
»Hoffmann hat sich regelmäßig mit Gysi getroffen?«
»Haben Sie schon mal vom sogenannten Pla n D gehört, Herr Wegener?«
»Ein Energieversorgungskonzept.«
»Richtig. Und sehr viel mehr als das. Wissen Sie noch etwas über diesen Pla n D?«
»Ich weiß, dass Hoffmann mit Krenz gegen Honecker geputscht hat.«
»Sie sind gut informiert. Dieser Teil von Hoffmanns Plan hat damals funktioniert, was danach passieren sollte, klappte nicht mehr so gut. Und jetzt sage ich Ihnen, dass sich Hoffmann in den letzten Jahren regelmäßig mit Gysi getroffen hat, mitten in Wandlitz und doch klammheimlich, nämlich in Wansers Keller.«
Wegener spürte, dass er angefangen hatte zu schwitzen.
Bürger lächelte. »Sie denken doch gerade was. Oder?«
»Ja.«
»Trauen Sie sich. Sprechen Sie es aus.«
»Hoffmann wollte noch mal putschen?«
Bürger nickte. »Voilà, Herr Wegener. Hoffmann wollte wiederholen, was er schon mal getan hatte. Eine Neuauflage des Pla n D: Vor zwanzig Jahren mit Krenz gegen Honecker. Heute mit Gysi gegen Krenz. Um doch noch das wunderbare Füllhorn des demokratischen Sozialismus über der DDR auszuschütten. Gut gedacht, trotzdem gescheitert. Erst aufgeflogen, dann aufgehängt.«
Wegener setzte sich auf eine der morschen Bänke, die im Abstand von fünf Metern den Platz umlagerten. Das Riesenrad kam ihm viel kleiner vor als damals. Die rostigen Gondeln quietschten im Wind.
»Die Stasi.« Wegener lehnte sich zurück. Er spürte die Feuchtigkeit der Bank durch den Hosenstoff. »Ich wusste von Anfang an, dass die Stasi Hoffmann ermordet hat. Es gab auch ein Motiv: Wir sind davon ausgegangen, dass Hoffmann mit Beweismaterial über seinen ersten Putsch gegen Honecker an die Westpresse wollte. Um Krenz vor der Weltöffentlichkeit zu diskreditieren. Aber ein zweiter Putsch ist natürlich noch eine ganz andere Nummer.«
»Haben Sie überhaupt jemand anderen verdächtigt? Außer der Stasi?«
»Ein westdeutsches
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