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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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realisieren kann, sie versagen also mit Garantie, die real existierenden Utopien, nur gnadenlose Schwachköpfe, die im einen Extrem immer noch das Gegengift für das andere zu finden glauben, wollen das nicht hören, drängen lieber so weit nach links, bis sie rechts wieder rauskommen, unbelehrbare Lemminge an der Leine ignoranter Ersatzreligionen, willfähriges Kroppzeug, das die Menschheit mit jeder neuen Generation millionenfach aus sich herauspresst, es geht mir doch nicht um die DDR! schrie Früchtl jetzt, was ist denn schon die DDR, eine historische Eiterblase, die bald platzen wird, die vielleicht noch ein bisschen nachstinkt und fertig, mir geht es um die DDRen dieser Welt, überall, auf sämtlichen Kontinenten, die immer wieder aufblühen, mal länger, mal kürzer, mal stärker, mal schwächer, mal unkenntlich, mal überdeutlich, mal rot, mal braun, die unter wechselnden Vorzeichen identische Ungerechtigkeiten, Morde, Lügen, Höllen hervorbringen, gesteuert von wenigen, gestützt von einigen, gefürchtet von allen, provoziert durch die maßlose Arroganz derjenigen, die sich als Götter auf den Schultern von Giganten wähnen, obwohl sie als Schaben auf Knochenbergen, Schädelhaufen, Fleischfetzenhalden geboren werden, die nie nach hinten, nach unten schauen und sich insgeheim für unsterblich halten, für klüger als alle vor ihnen Abgeschlachteten, die Dekade für Dekade aufs Neue jubelnd in die ältesten Ideologiefallen stürmen, weil die Extreme ihnen das Einzige versprechen, was die Vernunft niemals bieten kann: Todfeinde nämlich, eine unendliche Reihe von Gegnern und damit das ganze anachronistische Eitelkeitspaket, Glaube, Kämpfe, Ruhm, Kameraden, Traditionen, Stolz, Ehre, Siege, Niederlagen, die lächerliche Illusion, Bedeutendes, Dauerhaftes, Historisches zu leisten, einen Freibrief für jeden denkbaren Verstoß gegen die Menschlichkeit, natürlich im Dienst an der großen Sache, die ständig als groß gepriesen werden muss, damit ihre Kümmerlichkeit niemandem auffällt, allesamt hohle Spiegel, angefertigt, um das süßlich-schwefelige Scheinwerferlicht für die Sonnenbäder der Emporkömmlinge zu reflektieren, Eigennutz statt Altruistentum, Geschichtsbucheintrag statt Weltgeist, wie mich das ankotzt, diese ganze, selten begriffene, nie abgesetzte Unmenschliche Komödie mit der redundanten Handlung: dass immer schon viele sterben mussten, nur um wenigen ihre Unsterblichkeit vorzugaukeln.
    Ich war Nazi, dann war ich Kommunist, keuchte Früchtl, ich bin Deutschland, das fleischgewordene Teutonentum des zwanzigsten Jahrhunderts, kluggefoltert, verlustreich schlaugepiesackt, und das soll es nun gewesen sein, jetzt, wo ich klar sehe, muss ich abtreten, und die Dummen dürfen weitermachen, verdammte Sauerei das, die Rechten, die Linken, die immer noch stehen, die alle gleich stinken, wie soll man denn gehen, wenn’s einen hier hält, man wolle doch sehen, wie die noch verwehen, wie alles zerfällt, was einen gequält, unsauberer Reim, zugegeben, so schwer zu verstehen?
    Nein, Major Molotow, sagte Wegener, versteh ich alles, tut mir auch leid, aber halt die Schnauze jetzt, bitte, halt endlich die Schnauze, denn da steht einer der Männer von Frankensteins Tisch auf, geht an der Bar, an der Scheibe vorbei und ist plötzlich Generalmajor Steinkühler, streicht sich die blonden Haare aus der Stasistirn, winkt jemandem zu, zeigt Goldzähne, verschwindet hinter einem Mauervorsprung, während Brendel Magdalenas Kopf in beiden Händen hält wie ein Straußenei, sie auf den Mund küsst, ihren Mund zu sich hoch saugt, Magdalena auf Zehenspitzen, folgt Brendels Kuss, lässt sich ansaugen, hält sich an seinem Hintern fest, drängt sich an ihn, Wegener hatte plötzlich wieder den braunen Bananenpenis vor Augen, die blassrosa Eichelnase, die prallen, hängenden Rieseneiersäcke, den Werkzeugkasten aus der Tanga-Unterhose, mit dem Brendel Karolina bearbeitet hatte und jetzt Magdalena bearbeiten würde, endlich ein Slowly ohne Enge, jede Menge Platz auf dem Mercedesleder, Wegeners fettige Hände hilflos am Glas der Schaufensterscheibe, noch mehr Abdrücke, beweiskräftiger Schmier: I was here, er schwamm, ertrank in Wodka, vor ihm Frankensteins Gebiss, hinter ihm ein Neger, der ihm unter die Arme griff, ihn auf den kräftigen Negerrücken bugsierte und wegschleppte, entsorgte, in einen Kochtopf voller Rhabarbersaft, dachte Wegener, in einen Zahnstocherwald voller Blechlindwürmer, in einen weißen Raum mit

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