Plan D
Laubteppich, in ein Raukefeld voller Mayonnaise, in lauter unvorteilhafte Einsamkeiten, in denen ich dann mit mir selbst herumhocke, dann plötzlich eiskalte Nachtluft, eine zuschlagende Tür, der Backstein-Anus und die Steinstiege, steil, endlos lang, unmöglich zu erklimmen. Wie das Leben, so das »Molotow«.
*
Fauler Fisch. Uringestank. Eine flache Scheibe, lang gezogen und spiegelnd. Pfütze, denkt Wegener, in der ein gelbes Laternenköpfchen schwimmt, von irgendwoher rüberreflektiert, das eigentlich ganz woanders hingehört, aber ganz woanders ist es ja auch.
Körnige Härte, die sich in deine Wange presst, Wald, Halt, Asphalt, jawoll, sagt Früchtl, dies ist also das Wort, das treffend den Untergrund bezeichnet, auf den man dich bettetete, und wie man dich bettetetet, so siegt man, über dich, über mich, über jeden, über Schweden. Nicht gekotzt hast du immerhin diesmal, vielleicht auch längst vergessen, dass doch, vielleicht dem Neger in den Nacken gegöbelt mit 16 0 bar, darauf ihm die BIONIER-Brause-Wodka-Magensäure am Rücken runterschäumte, in die pechschwarze Kimmekerbe rauschte, sein aber wirklich immenses Geschlechtsgekröse flutete, gerbte, Achtung! Achtung! Negativer Sexismus nivelliert Positiven Rassismus, vielleicht dem Mohren also lieber ein Ständerchen gesungen, zehn nackte Negerlein, zum Dank, dass er dich bettetete zwischen Container, Kisten, Abfall, Dreck und Pfütze, neue Koordinaten für deine streng geheime, liebevoll gehegte Sammlung Orte, an denen mir was liegt, weil ich an ihnen lag .
Was nun, Wegener, diese Frage, die längst dein Lebensmotto hätte werden müssen, stellt sich erneut, diesma l – Innovatio n – mit drohendem Unterton, da kommt sie schon: Was nun, Wegener?
Josef, du gehst einem ohnehin unfassbar auf den Sack mit deinem gereimten Geschwafel, sagt Wegener, aber wenn dein Sprachchip schief sitzt, dann ist es zum Früchtltöten, echt.
Diese Einlassung stellt keine Antwort auf meine, also deine Frage dar, zumal ich schon tot bin, gell?
Was nun, sagt Wegener, ich liege hinter der Elitedisco auf dem Boden der Tatsachen, und disco heißt bei den Lateinern, wie wir alle wissen , ich lerne , also werde ich das auch tun, es gibt Dinge, die um jeden Preis zu Ende gebracht werden müssen, nur damit sie nicht dauernd zu Ende gedacht werden müssen.
Richtige Antwort, sagt Früchtl, aber jetzt spiel ich dicken Borgs und sage dir mal, die Erkenntnis ist ein Schatz, sicherlich, meistens, oft genug, aber bisweilen, Martin, wird der Schatz zur Qual, ein Ding, sie zu knechten, dann ist plötzlich alles Selbstzweck mit Selbstzerstörungsknopf, Einsicht und Ende der Welt fallen zusammen, es bleibt nicht mal Zeit, sich zu fragen, ob das eine das andere wert war, oder vielleicht zur Abwechselung im Klartext: Nichtwissen kann auch ein Privileg sein, ich war dabei, nach dem reichlichen Scheitern des Dritten Reichs haben sich alle Wissenden nach Nichtwissen furchtbar gesehnt, die Frage lautet doch immer: Willst du dumm leben oder schlau sterben?
Schlau leben will ich, Josef, klar, ich ahne schon, das lässt du nicht gelten, aber schlau leben ist doch unser aller unvermeidlicher Versuch, der lange Lauf zum Optimum, volles Risiko und bei Misslingen immerhin das gute Gefühl, es versucht zu haben, kein nagender Vorwurf, keine halb zertretene Maus, die vor der Tür liegt und fiept und man öffnet nicht, nur um sich die Erkenntnis zu ersparen, die Realität auszusperren, denn so ist das Leben nicht, Josef, wer das Fiepen hört, macht auch auf, kann gar nicht anders, disco, discis, discit, das dürfen wir menschlich nennen, discimus, discitis, discunt, und in meiner Jackentasche nagt halt wer, fiept halt was, die nennen sich Besuchsvisum und Terminschein, meine persönlichen Eintrittskarten ins Herz der Stasifinsternis, die sind noch gültig und versprechen Einblicke, die bringen Gewissheiten mit sich, endgültige, dauerhafte, verlässliche, du ahnst doch, mein Lieber, mein ganzer Besitz war das bisschen Vertrauen, und wenn das Vertrauen weg ist, bleibt nur noch die Hoffnung auf Wissen.
Hast du dir mal überlegt, sagt Früchtl, dass Vertrauen hieße, er zerreißt den Terminschein, das Visum, er nimmt die Offerte nicht an und macht damit Vertrauen erst möglich?
Sie hat mich angelogen, in der Hoffmannsache.
Und du hast sie betrogen, in der Magdalenasache, 1:1, würd ich sagen, Spielabbruch, Remis statt Revanche, Unglück ist nicht gleich Unsterblichkeit, Glück nicht gleich Kitsch,
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