Plan D
Aufladens keine Aktivität, genug getan für heute, der Hauptmann muss ran und der Hauptmann soll sich bloß Zeit lassen, soll sich vorstellen, jede Minute Reinraus mit Magdalena in diesem Wartburg würde ihm vom lieben Gott als zusätzliche Lebenszeit gut geschrieben, auf seinem persönlichen Lebenszeitkonto, also sichern Sie sich ein biblisches Alter, ganz einfach zu ervögeln, ein bisschen Geduld, bitteschön, und nicht nur ans Spritzen denken, vergessen wir den Quickie und lernen den Slowly, werden zur Fickschnecke, zum beischlafenden Faultier, stell dir vor, du entschärfst eine Bombe, hatte Magdalena gesagt, die Bombe bin ich, zu schnell gebumst und die Bombe geht hoch, noch langsamer kann ich nicht!, hatte Wegener gerufen, wie soll er denn da hart bleiben!, hier geht es um Reibung, wie soll aus Nichtbewegung Reibung werden!, aber Magdalena war sicher: Der bleibt hart, und tatsächlich, der blieb hart, auch ohne Reibung, weil ich zu dir hochdufte, hatte Magdalena gesagt, deshalb ist dein süßer Ossidödel aus Görlitzer Granit, weil ich dir in die Nase steige mit meinen Düften, hart erarbeitet, acht Stunden lang, alles für dich, jede Pore dieses vierundzwanzigjährigen Körpers malocht den ganzen Tag, damit der alte Mann keine Potenzmittel nehmen muss, ein Parfum aus tausend Drüsen, das Steinzeit-Aphrodisiakum, der Garant für einen guten Slowly nach einer schweren Schicht, merke: harter Tag, harter Schwanz, hatte Magdalena gesagt und Wegener lernte, lernte ihr stilles Gesicht zu genießen, die zufriedenen Züge, die kindliche, halboffene Mundspalte mit den beiden neugierigen Schneidezähnen, dieses weggetretene Mädchen sachte anzustoßen, von unten herauf schmatzend wiederherzustellen, die eigene Lebenszeit zu verlängern, während Magdalenas frischer Schweiß ihn berauschte, seine Sinne vermöbelte, den Wartburg auskleidete, die Scheiben beschlug, an die sie ihre Füße stellte, sich abdrückte, eine perfekt geformte Zehenunterschrift, während der Hauptmann um den Verstand gebracht wurde, seinen Job nicht machte, nicht mitdachte, nicht tätermäßig kalkulierte, sogar noch genau so sprachlos staunte wie Karolina selbst, die an einem regnerischen Tag auf dem Weg nach Thüringen am Steuer saß und zusah, wie der Dunst aus ihren feuchten Mänteln zwei nackte Geisterfußspuren an die Windschutzscheibe malte, zu spät, um die Lüftung anzustellen und diese verräterischen Zehen auszuradieren, weil Karolina schon würgte, auf den Randstreifen raste, bremste, schrie, aufs Lenkrad einschlug, und ich, dachte Wegener, was war ich für ein Kind, was war ich für ein fickriges Jüngelchen, den Hals voll mit pochender Panik, im Schädel rotierende Ausreden, von denen keine gut genug war, um sie auch nur zu Ende zu denken, während Karolinas Geschrei alles zur Tatsache machte, Fakten schuf, denen nichts mehr entgegengehalten werden konnte, so schmerzvoll war dieses Brüllen, so voller Wissen, voller bestätigter Sorge, so tierisch leidend, der Fehler meines Lebens, stellte Wegener fest und wusste, dass er genau das auch schon damals, im Wagen, neben Karolina, gedacht hatte, im Moment des Losschreiens, als Magdalenas runde Hacken, schmale Sohlen, langgliedrige Zehen aus dem Nichts erschienen wie die höhnische Rache eines Riesenarschlochgottes, der jetzt den Preis für die geschenkte Zeit forderte: Das war der Lebensfehler, der dir niemals verziehen wird, am wenigsten von dir selbst, dachte Wegener, du hast Karolina verspielt, du hast es geschafft, eine der seltenen, selbstverständlichen Lieben zugrunde zu richten, Magdalenas Füße haben alles zertrampelt, und du konntest nichts dagegen tun, dich muss man gar nicht verraten, Martin, das besorgst du gleich selbst, du wahnsinniger, notgeiler, stumpfer Depphengst, du beschäftigst dich doch hauptberuflich mit der Wahrheit, du bist doch hinter ihr her wie ein Kannibalenstamm hinter Schalck-Golodkowski, du weißt doch, die Wahrheit sucht sich ihren Weg, lässt sich nicht aufhalten, kriecht irgendwann ans Tageslicht, durch den kleinsten Haarriss, denn die Wahrheit, mein Freund, ist ein martialischer, ampelphasenlanger Sauerkrautfurz in einem winzigen fensterlosen Partykeller, eine Sekunde bevor die Meisterklasse der Académie du Sommelier hereinkommt.
Und die Wahrheit ist auch: Brendel, dachte Wegener, wenn das nicht Brendel ist, der sich da hinter der Schaufensterscheibe mit einer Dunkelhaarigen unterhält, die auf den ersten Blick gar nicht wie Magdalena aussieht und
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