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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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Schreibtischstuhl hoch. »Den Vorlauf erzählen Brendel und Frank gerade dem BND und dem K5 in die Mikrofone, den kannst du dir sparen. Und, Martin, sobald man mit dir reden will, stehst du denen uneingeschränkt zur Verfügung! Lienecke fährt gleich zum Kulturpark, auch wenn er nichts finden wird. Jetzt kommt die Pointe: Das Polizeipräsidium Köpenick rührt in der Sache Hoffmann keinen Finger mehr. Dieser Fall ist ein schwuler Flötenspieler, und wir sind die schlauen heterosexuellen Ratten, die sich ihre rosa Öhrchen zuhalten, kapiert?«
    »Ich nehme an, wir unterschreiben noch was.«
    »Das nehme ich auch an.« Borgs stand vor seinem Aktenschrank, kramte schnaufend in einer Schublade, bis er die Zigarilloreserven gefunden hatte, zog ein Holzkästchen aus der Schublade, klappte es auf und nahm eine Corredo heraus. »Wie fandest du den Bürger-Heini? Ist das ein Spinner?«
    »Nein. Eher ein Mann, der sich irgendwann dazu entschlossen hat, dass der Zweck die Mittel heiligt.«
    Borgs riss ein Streichholz an, befeuerte die Corredo, watschelte paffend zurück zum Schreibtisch, ließ sich in seinen Sessel plumpsen. »Das sind die Schlimmsten. Wir können uns auf harte Zeiten einstellen. So wie es aussieht, haben die Geldgeber im Ausland. Kallweit kam damit an, ist irgendwo durchgesickert. Das kracht noch.«
    Wegener stand auf und ging zur Tür. »Was Neues wegen Kayser?«
    Borgs dampfte in seiner Fensternische wie ein Fabrikschlot. »Wenn, dann würden wir es nicht erfahren. Außerdem würden wir es auch gar nicht wissen wollen, nicht wahr?«
    »Und Greentec? Da war er die ganze Zeit dran, das können die nicht außer Acht lassen.«
    »Greentec!« Borgs winkte ab. »Völliger Schwachsinn. Ein Ökostrom-Anbieter, der Nachrichtendienstler erschießt! Da lachen doch die Broiler. Dieser Scheißhaufen stinkt vor einer anderen Haustür, genau wie die Haufen Hoffmann, Opitz, Gruber, und wie sie nicht alle heißen. Also, auf die Gefahr mich zu wiederholen: Freu dich auf eine Woche Freizeit, schreib deinen Bericht und halt vor allem die Schnauze. Dann kannst du irgendwann in meinen Sessel furzen.«
    »Welch süßer Traum vom reinen Glück«, sagte Wegener, ging aus der Räucherhöhle und machte die Tür hinter sich zu.
    Christa Gerdes war nicht am Platz. Auf ihrem Robotron-Bildschirmschoner flimmerte Sahra Wagenknecht im Bikinikampfanzug, ein längliches Geschenkpaket unter dem nackten Arm, vorne guckte ein Maschinengewehrlauf heraus, Wagenknecht zwinkerte, lächelte verwegen, aus dem Gewehrlauf ploppte eine Fahne: Wie Wagenknecht die Knechte räch t – ab 28.10. nur im Kino!
    *
    Wegener ließ sich in einem braunen Dienst-Phobo s II durch den Feierabendverkehr treiben, schaltete automatisch, bremste automatisch, war mittendrin, einer unter Hunderten, die über den Brandenburger Ring rollten, eingebettet in eine keuchende, uniforme Kolonne. Andere Männer in anderen Phenoplastgehäusen schoben sich rechts und links ins Bild, krochen vorbei, rutschten langsam wieder zurück, ein müdes Schildkrötenrennen, bei dem es keine Siegerehrung geben würde. Backsteinschornsteine, Betonschornsteine, Metallschornsteine ragten aus den Peripheriewüsten, lauter senkrechte Keime einer vergammelnden Industriearchitektur, die letzten verzweifelten Triebe kurz vor dem endgültigen Verwelken, aus ihren dünnen Enden floss weißer und schwarzer Rauch in den Himmel und verschwamm irgendwo im Vorzimmer des Kosmos zu einem grenzenlosen, alles einfärbenden Grau. Ab Moabit fädelte zaghafter Regen herab, Wegener drückte und zog an den Kunststoffhebelchen neben dem Lenkrad, zwei dürre Wischerblätter quietschten über die fettige Windschutzscheibe, wie die hageren Arme einer karnevalfeiernden Greisin, wippten synchron im Takt, zur einen Seite, zur anderen Seite, verschmierten den aufgeweichten Rapsolfilm zum blickdichten Belag, zogen klare Streifen, schmierten die Streifen wieder zu, zogen Streifen, schmierten sie zu.
    Wegener hing über dem Steuer, versuchte, die Bremslichter vor ihm zu erkennen, die Abstände einzuschätzen, ließ Wischwasser aus den Reinigerdüsen spritzen, die Fettschicht auf der Windschutzscheibe schäumte jetzt gelblich, wurde zu einem dickflüssigen Brei, Blindflug, dachte Wegener und bremste fast bis auf Schritttempo runter, ich bin im chronischen Blindflugmodus, ob ich im Auto sitze oder im Büro, ob ich draußen rumlaufe oder rumfahre, hier sieht man nicht mal fünf Meter weit, hier hat man keine Ahnung, was direkt vor

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