Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
Vom Netzwerk:
ein Mann namens Albert Hoffmann hier und hat jemanden besucht. Ich würde gern wissen, wen.«
    Das Gesicht des Hageren wurde freundlicher. »Sie meinen Herrn Professor Hoffmann, in der Tat, der war Mitte des Monats hier und hat Frau Doktor Frommann besucht.«
    »Frau Doktor Frommann.«
    »Richtig. Doktor Gerda Frommann.«
    Wegener steckte seinen Ausweis wieder ein. »Gut, dann würde ich die auch gern besuchen, die Frau Doktor Frommann.«
    »Sie sind nicht angemeldet?«
    »Kein bisschen.«
    Der Hagere klemmte ein Headset auf seinen Scheitel, klickerte an der Nanotchev-Tastatur herum. »Hier ist Hans-Walter vom Empfang, guten Tag Frau Doktor Frommann! Ja, dankeschö n … ja, sicherlic h … wenn Sie das sagen!«
    Wegener betrachtete das Büchlein auf dem Tisch und drehte sich so, dass er den Titel lesen konnte. Christian Kreis, Nichtverrottbare Abfälle . Die passende Lektüre für ein SED-Altenheim.
    »Also, da ist ein Herr von der Polizei, der möchte mit Ihnen sprechen. Das weiß ich leider nich t … Richtig! Gut, dass Sie’s erwähnen! Gerne. Wünsch ich Ihnen auch, Frau Doktor Frommann, auf Wiederhören, Frau Doktor Frommann!« Der Hagere lächelte Wegener an. »Frau Doktor Frommann empfängt Sie.«
    »Und wo empfängt mich Frau Doktor?«
    »Appartemen t 26, zweiter Stock.«
    »Danke.«
    »Moment! Jetzt hab mich glatt vertan, ich bitte um Entschuldigung. Appartemen t 26 wird doch gerade renoviert!«
    »Macht ja nichts.«
    »Das hatte ich kurz vergessen, Frau Doktor Frommann ist vorübergehend im Gästezimmer der Ulbrichtsuite untergebracht. Erster Stock!«
    »Hier die Treppe hoch?«
    »Hier hoch, dann scharf links und immer geradeaus.«
    »Hoch und links.«
    »Scharf links.«
    »Scharf links, ok.«
    Wegener stieg über polierte, knarrende Stufen in den ersten Stock und ging scharf links über polierte, knarrende Dielen in Richtung Appartement s 1–5, Tee-Salon, Ulbrichtsuite. Wandleuchter mit gerafften cremefarbenen Stoffschirmen erleuchteten eine olivgrüne Goldschnörkeltapete, unter der Decke wuchsen kleine Kristallleuchter aus Stuckrosetten. Neben den Zimmertüren Messingschilder: Frau Elfriede Brüning, Frau Luc Jochimsen, Frau Christa Wolf. Am Flurende saß ein Mann auf einem Stuhl. Als Wegener näher kam, stand der Mann auf: Froschaugen, braune Haare, rötliche Haut, grobes Gesicht.
    »Hier geht’s für Sie nicht weiter.«
    »Das wär aber schade.«
    »Staatssicherheit.« Froschauge hatte plötzlich eine Dienstmarke in der Hand. »Sie sind nicht angemeldet.«
    »Frau Doktor Frommann freut sich aber auf mich.«
    »Ach, Sie wolln zu Frau Frommann.« Das grobe Gesicht schaltete von genussvoller Herablassung auf gemäßigte Arroganz. »Glück gehabt.«
    »Nicht wahr.«
    »Dann jetzt mal mit dem Gesicht nach da und die Beine auseinander, bitteschön.« Wegener stellte sich breitbeinig neben die Tür und legte die Hände an die Wand. Textiltapete. Goldene Schnörkel, die man fühlen konnte, ein ornamentales Relief. Sein Blick rutschte an dem Olivgrün nach unten auf eine Messingplakette: Frau Margot Honecker, Ministerin für Volksbildung der Deutschen Demokratischen Republik a . D.
    Wegener merkte, wie sein Herz einen Moment aussetzte. Wie sein Puls stolperte, taumelte, davonrannte. Wie ihm der Schweiß ausbrach, während Froschauge seine Waden und Oberschenkel abtatschte, ihm fast in den Schritt griff, ihm am Hintern und an der Taille herumfummelte, ein ungelenker Liebhaber, plump, aber entschlossen. Wegener versuchte zu denken, der ganze Hoffmannfall schoss durch sein Gehirn wie ein aufgeblasener Luftballon, den man nicht zuknotet, sondern fliegen lässt, der ein paar Sekunden in unvorhersehbaren, irren Schleifen herumfurzt und sofort wieder abschlafft, vom Himmel fällt.
    »Mitkommen«, sagte Froschauge, schloss die Tür zur Suite auf und betrat einen kleinen Empfangsraum, von dem sechs weitere Türen abgingen. Ulbricht schmunzelte aus einem Goldrahmen an der Stirnwand. Irgendwo lief Gitarrenmusik, dazu sangen zwei Stimmen im Duett. Eine tiefe männliche und eine schrille weibliche. Es roch nach Räucherstäbchen und Mottenkugeln. Froschauge baute sich vor der ersten Tür rechts auf, klopfte, wartete drei Sekunden, steckte seinen roten Kopf ins Zimmer.
    »Besuch für Sie, Frau Doktor Frommann.«
    Keine Antwort. Offenbar reagierte Frau Doktor Frommann mit einer großzügigen Geste und schwieg.
    Froschauge öffnete die Tür, als wäre er bei der Hauptabteilung Kammerdienerschaft.
    Wegener ging ein paar

Weitere Kostenlose Bücher