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Plan D

Plan D

Titel: Plan D Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Urban
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auf einen erhöhten Beistelltisch neben den Sessel. »Ich hab Frau Honecker gebeten, mal eine halbe Stunde Pause zu machen.«
    »Meine Rettung. Was haben Sie ihr erzählt?«
    »Dass die Staatssicherheit im Haus ist. Ich lüge ja nicht.«
    »Sie sind ein Engel aus Fernost.«
    Wegener wartete, bis die Pflegerin wieder draußen war. »Frau Doktor Frommann, ich brauche diese Koordinaten.«
    »Sie?« Der Fleischberg tastete nach der dampfenden Tasse, ließ sie ohne jedes Zittern zum Mund schweben und schlürfte. »Warum denn das?«
    »Für eine polizeiliche Ermittlung.«
    »Das glauben Sie doch selbst nicht.«
    »Das ist mein voller Ernst.« Wegener musste sich beherrschen, um diese teeschlürfende, lethargische Superseekuh nicht zu schütteln. »Und es ist eilig.«
    »Junger Mann, wenn Sie zum Müggelsee wollen, dann gehen Sie doch in Ulbrichts Namen ins Transitnetz, dort weiß man nämlich alles! Glauben Sie nicht, dass ich hinterm Mond lebe! Die Bildung ist ein gehirnamputierter Tintenfisch, de r …«
    »Es geht um die Zeitkapsel, Frau Doktor!«
    »Was hat denn die Polizei mit unserer Kapsel zu tun?«
    »Rings um die Pipeline ist ein Sperrgebiet des Energieministeriums, da haben Privatleute keinen Zutritt. Professor Hoffmann hat sich an mich gewandt mit der Bitte, ihm beim Ausgraben einer bestimmten Wertsache behilflich zu sein. Um was es sich handelt, wollte er mir nicht sagen, er meinte, ich muss mich an Sie wenden. Wenn wir nicht schnell handeln, wird die Kapsel weggebaggert.«
    Jetzt schwappte der Tee über. »Das darf auf keinen Fall passieren! Hören Sie, auf gar keinen Fall!«
    »Dann benötige ich die Koordinaten.«
    »Aber die hat Professor Hoffmann doch schon.«
    »Der Professor musste kurzfristig verreisen und hat es leider versäumt, mir den Zettel vorher zu geben.«
    Die Eieraugen hinter den Brillengläsern verengten sich. »Na gut. Aber seien Sie vorsichtig! Dass mir nichts beschädigt wird!«
    »Wir passen auf. Das garantiere ich.«
    Frommann stellte die Teetasse ab, wendete ihren Rollstuhl und bewegte sich in der Geschwindigkeit eines gichtkranken Faultiers hinter den Schreibtisch, nahm eine kleine Messingschatulle, öffnete die Schatulle und holte einen Zettel heraus. Dann klappte sie eine monströse Leselupe aus und malte mit kratzender Füllerfeder drei Minuten lang Zahlen auf einen Notizblock. Der Zettel verschwand wieder in der Schatulle.
    Wegener stand auf.
    Frommann riss das beschriebene Blatt vom Block und überreichte es wie eine Ernennungsurkunde. »Und Sie bringen die neuen Koordinaten vorbei, wenn Sie die Zeitkapsel versetzt haben, das versprechen Sie mir!«
    »Hoch und heilig.«
    »Hoch und heilig ist dem Pfaffen sein privater Glockenturm.«
    Wegener stellte das Sesselchen zurück, ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. Frau Doktor grüßte stumm mit ihrem beingroßen Arm. Wegener winkte zurück und war draußen.
    Im Vorzimmer wartete Froschauge.
    »Schon fertig?«
    Wegener nickte. »Schon fertig.«
    Irgendwo polterte es. Das Poltern kam näher. Die Tür hinter Froschauge wurde aufgerissen, und eine halbnackte Greisin erschien, die wirren, blaugrauen Haare standen ihr in alle Richtungen vom Kopf ab. »Du Stasischwein!« Die Alte starrte Wegener voller Hass an.
    »Frau Honecker, der Mann ist ein Gast von Frau Doktor Frommann!« Froschauge war knallrot angelaufen. »Ein Besucher! Gehen Sie doch jetzt bitte wieder in Ih r …«
    »Besucher!«, krächzte die Alte und verzog das Runzelgesicht zu einem grausamen Grinsen. »Die Stasischweine sitzen immer genau da, wo man sie nicht vermutet! Genau da sitzen sie und warten, dass man ihnen in die Falle geht! Aber nicht mit mir! Nicht mit der Blauen Eminenz!«
    Wegener flüchtete an Froschauge vorbei zur Flurtür, zog sie auf, war schon im Gang, aber das Geschrei kam ihm hinterher, drang durch Türritzen und Wände, schallte quer über die Etage, unerbittlich, heiser, hasserfüllt: Du elendes Stasischwein!

35
    D ie Stimme der Alten verfolgte Wegener als akustische Lenkrakete die knarrende Treppe hinunter, durch die Halle ins Auto und über den Ring bis in die Karl-Marx-Allee, er hatte das Gefühl, diese Marschflugkörperstimme hole ihn ein und erwische ihn von hinten, als er in die Normannenstraße abbog, Volltreffer, das Stasischwein auf dem Weg zu seinen Stasischweinkollegen, aber doch nur, um den Spieß umzudrehen, Margot, still und unbemerkt, weil einem nichts anderes übrig bleibt, und du halt dich da raus, Josef, ein für alle mal, ihr

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