Plan D
geltendem Recht abgesichert werden müssen. Haben Sie das verstanden?«
Wegener nickte.
»Sie dürfen die Ergebnisse der Überwachungsvorgänge lediglich einsehen. Ihnen ist weder die Abschrift noch eine andere Form der Kopie noch die Mitnahme der Unterlagen gestattet.«
»Wie viel Zeit habe ich?«
»So viel Sie wollen.«
»Dieser Raum ist kameraüberwacht?«
»Selbstverständlich.« Das Nichtgesicht legte zwei hellgraue Mappen auf den Holztisch, nahm die beiden hellgrünen Formulare, verglich die Registernummern, zückte einen Stift und unterschrieb auf beiden Mappendeckeln mit einer steilen, unleserlichen Fieberkurve. »Ich halte fest: Die ausgehändigten Dokumente entsprechen Ihrem Antrag in puncto Überwachungsmethode und Zielperson. Telefonüberwachung der Mobilnummer 113 0 2 0 2 3 3 4 5 3 190 sowie akustische und visuelle Observation der Colombetstraß e 34, drittes Obergeschoss, Dokumentationsmittel: Fotografie.«
Wegener nickte.
»Dann wünsche ich Ihnen eine ergebnisreiche Arbeit, Genosse Hauptmann.« Der Offizier ging wie an einer Schnur gezogen aus dem Raum und zog die Tür hinter sich zu.
Da ist sie wieder, meine alte Angst, dachte Wegener, dass das Jüngste Gericht die Fegefeuer-Urteile abgeschafft hat und die Höchststrafe für menschliche Niedertracht als endlose Einzelhaft daherkommt, als ewiges Vegetieren im Keller der Normannenstraße oder in einer der weißen Zellen von Stasi Stadt, als nicht endende Phobosfahrt hinter verschmierten Scheiben, als tägliches, bewegungsunfähiges Wiedererwachen unter dem immer gleichen funktionsuntüchtigen Ventilator, als Gehirn im Tank, das sich nur noch selbst betrachten kann, das für alle Zeiten isoliert ist und sich vom mageren Pensum des Erlebten ernähren muss, das die Erinnerung an eine Handvoll Jahre besitzt und sonst nichts, ein hinterhältiges Kapital, weil das Vergangene vergangen und für immer abgeschlossen ist, unveränderlich, weil man keine zweite Chance bekommt und stattdessen eine gnadenlose Zukunft lang bereut, sich fruchtlos mit den eigenen Fehlern herumschlägt, mit all dem Verpassten, mit den Millionen von Wegen, die das Leben hätte nehmen können, ein Container voller Konjunktive, in dem man stündlich ersäuft, weil man sich ausgerechnet die Strafe einhandeln musste, die man von Anfang an am meisten fürchtete: die schiere, blanke, hermetisch abgeriegelte Isolation. Was ich auch tue, dachte Wegener, es läuft auf das Gleiche hinaus, der Ausgang des Spiels stand fest, bevor es anfing, das ist Schicksalssozialismus, biografische Planwirtschaft, weil die Stasi immer schon da ist, bevor man sie ruft, weil sie trotz aller Vorsichtsmaßnahmen immer noch die richtigen Momente abpasst, die Schwächen ihrer Zielperson findet und ausnutzt, die kleinen Nachlässigkeiten hart bestraft, hellwach ist, wenn nur einmal die Vorhänge offen gelassen werden, im Eifer einer allesbetäubenden Lust, in der man nicht an Fußabdrücke auf Scheiben denken kann, in der man nicht ans Gardinenzuziehen denken kann, weshalb dann Bilder geschossen werden, auf denen Karolina im Bett liegt und von einem Mann mit weißen Haaren ausgezogen wird, der mit dem Rücken zum Fenster steht, der ihren Rock in der Hand hat, ihre Strumpfhose, ihren BH, der mit seinem weißen Kopf zwischen ihren Beinen verschwindet, wozu Karolinas Gesicht vor Lust leidet, ein jammernder Mund, ein hündischer Blick zur Decke, während der Alte sich mit seinem Schädel in sie hineingräbt, ihr die Beine auseinanderdrückt, Karolinas Füße rechts und links in der Luft, die Falten ihrer verkrampften Fußsohlen reihen sich untereinander auf, so scharf sind die Bilder, so gut sind die Tele-Objektive, dass sie sehen, wie sich Karolinas Zehen synchron spreizen, dass ihr Mund jetzt ein ärgerlicher Schrei ist, in dem sich ein Speichelfaden spannt, ein geiler Kreis mitten in ihrem verzerrten Gesicht, ein Ort der Wut darüber, dass sie diesen Zweikampf zu verlieren droht, und dann wehrt sie sich schließlich doch, stößt den Alten mit den Füßen weg, dass er vom Bett fällt, liegt jetzt breitbeinig, noch nie hat eine Frau breitbeiniger gelegen, bearbeitet sich selbst, dreht sich um und bietet dem Weißhaarigen zwei fleischige Backen an, lässt ihren Mittelfinger zwischen den Backen verschwinden, versenkt ihn tief in ihrem geöffneten Arschloch, zieht ihn raus, spuckt ihn nass und versenkt ihn wieder, weitet vor, nimmt zwei Finger, drei Finger, spreizt die Finger, spannt ihr Arschloch auf, dieses Loch
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